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"Hänschen klein ging allein"

Die ersten Lebensjahre sind für die sozial-emotionale Entwicklung eines Kindes außerordentlich wichtig. Frühkindliche Erfahrungen bilden das Fundament für die spätere Beziehungsfähigkeit eines Menschen.

Sozial-emotionale Entwicklung des Kindes

In der Vergangenheit hat die Psychologie der Mutter-Kind-Beziehung eine einzigartige Bedeutung für das psychische Wohlbefinden eines Kindes und dessen spätere Beziehungsfähigkeit beigemessen. Die Ausschließlichkeit der Mutter-Kind-Beziehung wird heute ernsthaft in Frage gestellt, denn Studien zeigten: Ein Säugling kann bereits gleichzeitig Beziehungen zum Vater und zu anderen Bezugspersonen aufbauen, die in ihrer Stärke durchaus mit derjenigen zur Mutter vergleichbar sind. Voraussetzung  ist, dass ein Kind regelmäßige, zeitlich ausreichende und beständige Erfahrungen mit dem Vater und anderen Bezugspersonen machen kann.

Sozial-emotionale Entwicklung wird als ein Prozess aufgefasst, der über die familiäre Sozialisation hinausreicht. Neben den frühkindlichen Erfahrungen haben die sozialen Erfahrungen im Kindergarten- und Schulalter und in der Adoleszenz für die soziale Kompetenz und das psychische Wohlbefinden eines erwachsenen Menschen einen hohen Stellenwert.

Eintritt in den Kindergarten

Der Eintritt in den Kindergarten und die gesamte Kindergartenzeit sind ein Lebensabschnitt mit eigenständiger Bedeutung für die Entwicklung eines Kindes. Für das Kind beginnt ein Lebensabschnitt mit vielen neuen Anforderungen, die sehr verschieden vom vertrauten Zuhause sind. Die Eltern sind für eine feste Zeit des Tages nicht mehr unmittelbar verfügbar.

Viele Kinder trennen sich zum ersten Mal täglich und für mehrere Stunden von ihrer Hauptbezugsperson. Sie verbringen erstmals Zeit außerhalb ihres Zuhauses, müssen sich an die Betreuungspersonen im Kindergarten gewöhnen und Teil einer Gruppe werden. Hinzu kommt die Anpassung an den neuen Tagesrhythmus und an neue Regeln – etwa Spielsachen gehören nicht einzelnen Kindern, sondern allen. Vor dem Hintergrund des hierzulande geltenden Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz ist der Besuch eines Kindergartens weitgehend selbstverständlich geworden. Dennoch: Der Eintritt in den Kindergarten stellt sowohl für Kinder als auch für Eltern einen bedeutenden Übergang in eine neue Lebensphase dar.

Starke Emotionen

Übergänge sind in der Regel mit starken Emotionen, mitunter sogar mit Krisen verbunden. Jeder Neuanfang bedeutet bei aller Vorfreude und Neugier auch Abschied von Vertrautem. Der Eintritt eines Kindes in den Kindergarten ist mit Gefühlen von Verlust und Abschied verbunden. Für ein Kind ist dies eine Erfahrung von regelmäßiger Abwesenheit der Eltern, die die „sichere Basis“ darstellen. Ein Kind muss auch mit der Ungewissheit fertig werden, was während seiner Abwesenheit zu Hause geschieht. Diese Gefühle sind oft beim morgendlichen Abschied besonders spürbar.

Eltern sind häufig verunsichert oder besorgt: „Wie kommt mein Kind wohl mit den neuen Anforderungen zurecht?“ Sie müssen sich von einem Lebensabschnitt verabschieden, in welchem sie das Gefühl einer engen Eltern-Kind-Beziehung erlebten. Erschwerend kommt hinzu, dass Eltern dazu neigen, einmal erreichte Beziehungsformen erhalten zu wollen „…die Eltern-Kind-Beziehung aber wandelt sich ständig. Das Kind hat die etwas mühselige Aufgabe, uns immer wieder vor Augen zu führen, dass es sich weiterentwickelt hat und wir – bitte – mit ihm anderes umgehen möchten“ (Largo, 2001, S. 35).

Fazit: Auch den Eltern muss das Aufgewühlt-Sein, das Empfinden und Zeigen von Gefühlen in dieser Phase zugestanden werden, ohne dass dies unnötig problematisiert wird. Vorsichtig sollte man deshalb mit Zuschreibungen von Ursachen sein, wenn Schwierigkeiten beim Eintritt in den Kindergarten beobachtet werden, wie etwa „übermäßige Mutter-Kind-Bindung“, „überbehütetes Erziehungsverhalten“ oder „fehlende Kindergartenreife“.

Wechsel zwischen zwei Lebensbereichen

Mit dem Besuch des Kindergartens wechselt ein Kind regelmäßig für feste Tageszeiten zwischen der häuslichen Umgebung und der Einrichtung. Das Kind muss sich auf neue Räume einstellen, auf einen bestimmten Zeitablauf und Zeitrhythmus, auf neue Regeln und vor allem auf die neue soziale Situation. Der Tagesablauf der Eltern wird vom Kindergarten mitbestimmt. Zusätzliche Termine wegen Elternarbeit und Elternabenden fallen an. 

Neue Rolle

Zur Rolle des Kindes in der Familie kommt die neue Rolle als „Kindergartenkind“ hinzu. Damit verbunden erlebt das Kind eine Reihe von Erwartungen an seine Fähigkeiten und sein Verhalten, wie etwa die Beherrschung seines Körpers (Sauberkeitstraining) und seiner Gefühle (Bewältigen von Emotionen ohne direkte Unterstützung durch vertraute Bezugspersonen). Eltern lernen zu akzeptieren, dass ihr Kind nun eines unter anderen in einer Gruppe ist. Sie sind nicht mehr allein zuständig für die Erziehung des Kindes.

Veränderte Beziehungen

Mit dem Besuch eines Kindergartens verändern sich die familiären Beziehungen eines Kindes, welches nun unabhängiger und selbstständiger wird und neue Beziehungen nutzt. Eltern sind aufgefordert, den Kindern mehr Unabhängigkeit zu gewähren und gegebenenfalls Kontrollansprüche zu verringern. Auch für die Eltern entstehen neue Beziehungen: zu den PädagogInnen im Kindergarten, zu anderen Kindern und Eltern. Die Beziehungen zu den Miteltern beeinflussen die Beziehungen der Kinder untereinander und umgekehrt.

Wandel der Identität

Das Kindergartenkind erlebt einen neuen Status: Es fühlt sich „älter“ und „größer“; es entwickelt im Idealfall ein „Wir-Gefühl“ für die Kindergartengruppe. Aus Eltern werden „Kindergarteneltern“. Sie müssen sich darauf einstellen, dass sie zu festen Tageszeiten ohne ihr Kind sind und dass sie nicht unmittelbar wissen, was dieses tut oder fühlt und wie es ihm ohne die Anwesenheit der Eltern momentan geht. Auch sind Eltern mit der Frage konfrontiert, wie sie die Zeit, während ihr Kind im Kindergarten ist, selbst nutzen werden.

Jedes Kind braucht seine eigene Zeit für die Eingewöhnung

Ein „Kindergartenkind“ zeichnet sich darin aus, dass es sich selbstbewusst und selbstständig in der Gruppe bewegt, Freundschaften schließt und das Bildungsangebot im Kindergarten für sich nutzen kann. Eine der wichtigsten Hilfen für das Gelingen des Kindergarteneintritts ist eine behutsame Eingewöhnung.

Beim Eintritt in den Kindergarten beobachten wir bei Kindern recht unterschiedliches Verhalten: Während das eine Kind spontan und freudig auf die neue Situation zugeht, wartet ein anderes Kind ab oder ist auch etwas ängstlich. Es wird versuchen, seinen Platz in der Gruppe zu finden. Dabei kann es vorkommen, dass es zu Konflikten mit anderen Kindern kommt. Kinder lernen unterschiedlich schnell mit diesen neuen Anforderungen umzugehen. Die Bereitschaft eines Kindes, sich mit dem Kindergarten auseinanderzusetzen, wird auch davon beeinflusst, ob in der Familie gleichzeitig größere Lebensveränderungen anstehen, wie beispielsweise die Geburt eines Geschwisters, eine Trennung der Eltern oder andere belastende Lebensereignisse.

Der Prozess der Eingewöhnung dauert oft länger, als Eltern und KindergartenpädagogInnen erwarten. Eine repräsentative Untersuchung (Staatsinstitut für Frühpädagogik, Bayern) ergab: Die Eingewöhnungszeit ist unabhängig vom Alter und sie kann mitunter über mehrere Monate andauern. Nach dem Besuch des Kindergartens kann es vorkommen, dass das Kind müde, ruhebedürftig und unausgeglichen ist und wenig bis gar nichts erzählt. In der Eingewöhnungsphase kann es auch vorkommen, dass ein Kind morgens nur mit Unlust in den Kindergarten geht oder gar nicht gehen möchte. Diese Reaktionen sind nichts Auffälliges, sondern normal.

Auch Eltern brauchen eine Eingewöhnungszeit. Vor allem, wenn es darum geht, das Kind loszulassen und es anderen Personen (KindergartenpädagogInnen) anzuvertrauen. Sie müssen akzeptieren lernen, dass ihr Kind nun eines unter anderen in einer Gruppe von Kindern ist, und darauf vertrauen, dass ihr Kind allmählich selbstständiger und unabhängiger von den Eltern wird. Eltern stehen zudem vor der neuen Aufgabe sich via Elternarbeit für die Interessen anderer Kinder und Eltern einzusetzen.

Wie Sie Ihr Kind unterstützen können 

Eine gute Vorbereitung auf den Kindergarten ist, wenn das Kind schon Erfahrungen mit anderen Kindern machen konnte und auch Zeiten ohne Mutter oder Vater auszukommen gelernt hat. Schnuppervormittage und Besuche in der Gruppe können nicht nur Kindern, sondern auch Eltern die Gewissheit verschaffen, dass das Kind in der Einrichtung gut aufgehoben ist. Diese Sicherheit können Eltern ihrem Kind direkt und indirekt weitergeben.

In den meisten Kindergärten ist irgendeine Form der Eingewöhnung (Spielnachmittage etc.) vorgesehen. In den ersten Wochen ist für ein Kind die Überschaubarkeit der Situation und die Vorhersehbarkeit dessen, was auf es zukommt, eine wichtige Voraussetzung für eine sanfte Eingewöhnung. Dazu gehört die Erfahrung von Regelmäßigkeit und Pünktlichkeit beim Bringen und Abholen. Während der Eingewöhnungszeit empfiehlt es sich morgens, das Kind im Kindergarten jeweils einer fixen Person, einer KindergartenpädagogIn, zu übergeben. Abschiedsrituale (z.B. Nachwinken) sind für Kinder sehr hilfreich.

Pädagogische Leitlinien

  • Ermöglichen Sie dem Kind bereits vor Eintritt in den Kindergarten, Erfahrungen mit anderen Kindern zu machen und Zeiten ohne Mutter und Vater auszukommen.
  • Fördern Sie Ihr Kind in seiner Selbstständigkeit.
  • Bereiten Sie Ihr Kind auf den Besuch des Kindergartens vor (z.B. Schnuppervormittage). 
  • Übergeben Sie morgens Ihr Kind an eine fixe Person im Kindergarten (KindergartenpädagogIn).
  • Entwickeln Sie gemeinsam mit Ihrem Kind ein Abschiedsritual.
  • Geben Sie den KindergartenpädagogInnen gegebenenfalls Informationen über Ihr Kind oder die Familie. Damit helfen Sie, sodass die PädagogInnen besser auf Ihr Kind eingehen können.
  • Keine Angst vor Abschieden und keine Angst davor, dass es nicht vom ersten Tag an problemlos klappt!
  • Machen Sie sich bewusst: Der Prozess der Eingewöhnung kann über mehrere Monate dauern.
  • Bei ungewöhnlich starken Trennungsreaktionen Ihres Kindes, bei anhaltenden Schwierigkeiten, sich im Kindergarten einzugewöhnen, und bei Fragen zum Entwicklungsstand Ihres Kindes empfiehlt es sich, Beratung in Anspruch zu nehmen (z.B. Institut für Sozialdienste: Psychologische Beratung für Kindergärten, Arbeitskreis für Vorsorge und Sozialmedizin: Kindergartenbegleitung u.a.m.).

Autorin

Mag. Dr. phil. Martina Hubner

Klinische Psychologin, Gesundheitspsychologin; Mitarbeiterin an der ifs Beratungsstelle Bregenz; langjährige Erfahrung in psychologischer Diagnostik, Beratung von Eltern und Bezugspersonen von Kindern und in klinisch-psychologischer Behandlung von Kindern und Jugendlichen.