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Jahresbericht 2024 36 Krankenpflege, Psychiatrie bzw. psychotherapeutische Medizin und (Heil-)Pädagogik mit Schwerpunkt auf Alternativen zu Freiheitsbeschränkungen als immer schwieriger, da diese nicht oder in nicht ausreichender Zahl zur Verfügung stehen. Auch die Kommunikation mit von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen Betroffenen wird von den Gerichten als besondere Herausforderung beschrieben. Bei einer an einer demenziellen Entwicklung leidenden, ohne Hilfsmittel mobilen Bewohnerin eines Pflegeheims besteht eine Weglauftendenz. Zudem neigt sie zu Handgreiflichkeiten, wenn sie vom Pflegepersonal aufgehalten wird und befolgt die Straßenregeln nicht immer. Deshalb wurde als freiheitsbeschränkende Maßnahme der Einsatz einer Uhr an die Bewohnervertretung gemeldet, die beim Verlassen des Pflegeheims einen Alarm auslöste. Bei der nachfolgenden Prüfung stellte sich heraus, dass die Bewohnerin offenbar immer zur Umkehr überredet werden konnte, also nicht gegen ihren Willen in das Pflegeheim zurückgebracht werden musste. Alternativen wurden keine erprobt. Ein Einzelfall-Medikament, verabreicht mit der Indikation „Angst, inneres Unwohlsein“, war gemäß der Dokumentation des Pflegeheims regelmäßig bei auftretender Weglauftendenz erfolgreich eingesetzt worden, aber nicht an die Bewohnervertretung gemeldet worden. Auch die folglich eintretende Müdigkeit war erfasst worden. Es folgte zunächst weder die Nachmeldung des Medikaments, noch eine Indikationsanpassung nach von der Bewohnervertretung aufgetragener Rücksprache zur Verabreichung mit dem behandelnden Arzt. Zusätzlich wiesen weitere Pflegeberichte den fortgesetzten Einsatz des Medikaments bei Weglauftendenz aus, weshalb ein Antrag auf Überprüfung der Freiheitsbeschränkungen beim zuständigen Bezirksgericht eingebracht wurde. Die Überprüfung ergab, dass das Alarmsystem eine unzulässige Freiheitsbeschränkung darstellte. Bereits das Überreden der Bewohnerin zur Umkehr wurde von der Richterin als Freiheitsbeschränkung gewertet. Zudem hatte die Sachverständige unversuchte Alternativen aufgezeigt. Das sedierende Medikament überhaupt als freiheitsbeschränkende Maßnahme einzuordnen, wurde abgewiesen. Laut Sachverständige müsse die Bewohnerin das Medikament zur Entspannung und Angstlösung in Stresssituationen, die durch ihre Demenzerkrankung verursacht werden, erhalten. Das Gericht betrachtete die Behandlung von Angst und innerer Unruhe als unmittelbaren, also primären Zweck der Medikation und sah darin keine Freiheitsbeschränkung. Die Bewohnervertretung brachte in der Folge einen Rekurs beim Landesgericht ein. Diesem wurde nicht stattgegeben. Das Erstgericht habe den Überprüfungsantrag völlig zu Recht abgewiesen. Ein anderes Pflegeheim meldete der Bewohnervertretung eine Freiheitsbeschränkung mit Medikamenten an einer multimorbiden Bewohnerin mit Demenz. Die Frau kann sich mit dem Rollstuhl ein wenig fortbewegen und ruft permanent um Hilfe. Eine 1:1-Betreuung, Gespräche oder die Ablenkung mit Demenzmaterialien wirkten nur begrenzt. Aufgrund der Belastung für die anderen Bewohner:innen erhielt die Frau be- ruhigende Medikamente oder wurde in das etwas abseits gelegene Tagespflegezimmer gebracht, wo sie auf eine Matratze am Boden gelegt wurde. Einmal wurde im Zimmer der Bewohnerin zudem ein Bettseitenteil eingesetzt. Die Bewohnervertretung beantragte eine Überprüfung aller freiheitsbeschränkenden Maßnahmen durch das zuständige Bezirksgericht. Die Seitenteile waren nach dem Beschluss unzulässig, da bei deren Einsatz keine Gefährdung im Sinne des HeimAufG gegeben war. Die Bewohnerin im Tagespflegezimmer auf eine Matratze am Boden zu legen, wurde als Freiheitsbeschränkung betrachtet und ebenfalls für unzulässig erklärt. Es konnte zudem erhoben werden, dass auch die Türe teils geschlossen wurde, um die akustische Beeinträchtigung durch das Geschrei zu reduzieren. Ein Verlassen des Raumes war der Bewohnerin selbstständig nicht möglich. Die Medikamente wurden nicht als freiheitsbeschränkende Maßnahme betrachtet und der Antrag der Bewohnervertretung auf Überprüfung dieser Maßnahme abgewiesen. Ziel und Grund der Verordnung sei die Behandlung der Angst der Bewohnerin, die auch Grund für die Schreianfälle sei. Die Bewohnervertretung brachte auch hier einen Rekurs beim Landesgericht ein. Dem Rekurs wurde abermals nicht stattgegeben und ihm blieb ein Erfolg versagt.

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