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Jahresbericht 2024 Erwachsenenvertretung Patientenanwaltschaft Bewohnervertretung ifs Vorarlberg Institut für Sozialdienste

Jahresbericht 2024 des Vereins ifs Erwachsenenvertretung, Patientenanwaltschaft und Bewohnervertretung 2 Verein ifs Erwachsenenvertretung, Patientenanwaltschaft und Bewohnervertretung Fakten Mitglieder 8 natürliche Personen Andrea Bachmayr-Heyda Dominik Denifl, MA Mag. Dr. Martina Gasser, MBA Mag. Annette Heinzle, MPH Mag. Elisabeth Kern Sabine Pfefferkorn Martin Vaplon Mag. Susanne Wallner Zusammensetzung des Vereinsvorstands Mag. Dr. Martina Gasser, MBA, Obfrau Mag. Elisabeth Kern, Obfraustellvertreterin Dominik Denifl, MA, Finanzreferent Sabine Pfefferkorn, Schriftführerin Leitung Mag. Günter Nägele Mag. Christian Fehr, MSc Mag. Regina Anhaus Sitz des Vereins Interpark Focus 40, 6832 Röthis Geschäftsstellen der ifs Erwachsenenvertretung Kaiser-Franz-Josef-Straße 6a, 6845 Hohenems für die Gerichtsbezirke Bregenz, Dornbirn und Bezau Johannitergasse 6 / 3, 6800 Feldkirch für die Gerichtsbezirke Feldkirch und Bludenz Öffnungszeiten 08:00–12:00 Uhr Termine nach Vereinbarung Außenstellen ifs Beratungsstelle Bludenz Klarenbrunnstr. 12, 6700 Bludenz ifs Beratungsstelle Bregenz St.-Anna-Straße 2, 6900 Bregenz Geschäftsstelle der ifs Patientenanwaltschaft Valdunastraße 16, 6830 Rankweil Öffnungszeiten 08:00–16:00 Uhr Termine nach Vereinbarung Geschäftsstelle der ifs Bewohnervertretung Kaiser-Franz-Josef-Straße 6a, 6845 Hohenems Öffnungszeiten Termine nach Vereinbarung 2 Der Verein Fakten 3 Unterstützung schafft Freiheit Vorwort der Vereinsobfrau 4 ifs Erwachsenenvertretung In Sachen Mensch 14 ifs Patientenanwaltschaft Würde durch Mitbestimmung 26 ifs Bewohnervertretung Freiheit. Würde. Sicherheit. 39 Wissenswertes Ein Verein – drei Fachbereiche Impressum: Herausgeber, Verleger und Eigentümer: Verein ifs Erwachsenenvertretung, Patientenanwaltschaft und Bewohnervertretung Interpark Focus 40, 6832 Röthis Redaktion: Mag. Regina Anhaus, Mag. Christian Fehr, MSc, Mag. Günter Nägele, lic.phil. Alexandra Breuß Tel.: 05 1755-500, E-Mail: ifs@ifs.at, www.ifs.at Fotos: Lukas Alton / ifs, Adobe Stock, Shutterstock, Weissengruber & Partner Fotografie (S.14) Grundlayout: atelier stecher Grafische Gestaltung: Silke Hopf, Mag. Jan Koller April 2025 Inhalt wir helfen weiter

3 Der Verein | Vorwort Unterstützung schafft Freiheit Vorwort der Vereinsobfrau M. war ein junger Mann mit kognitiver Beeinträchtigung, der in einem betreuten Wohnsetting lebte und Sozialhilfe bezog. Auch seine Mutter war auf Sozialhilfe angewiesen. Immer wieder bat sie ihn um Geld – und er gab es ihr. Aus Angst, sie zu enttäuschen, traute er sich nicht, Nein zu sagen. Dann bekam er eine Erwachsenenvertreterin zur Seite gestellt. Anfangs war die Skepsis groß. M. fühlte sich kontrolliert, in seiner Entscheidungsfreiheit eingeschränkt. Doch schon bald zeigte sich, dass die Erwachsenenvertreterin genau das tat, was er selbst nicht konnte: Nein sagen. Sie übernahm die Kommunikation mit der Mutter. Freundlich, aber bestimmt. Und so erlebte M. zum ersten Mal, wie entlastend es sein kann, wenn jemand an seiner Seite Grenzen setzt und damit seine Selbstbestimmung stärkt und sein Geld schützt. Ein Spiegel unserer Zeit Grenzen zu setzen und auch zu akzeptieren fällt heute vielen Menschen schwer. Geduld, Einsicht und die Fähigkeit, ein Nein anzunehmen, sind Werte, die im gesellschaftlichen Miteinander zunehmend in den Hin- tergrund treten. Das ist kein individuelles Versagen, sondern ein Zeichen der Zeit. Das Nein-Sagen und das Setzen von Grenzen zählen zu den Aufgaben der Erwachsenenvertreter:innen. Nicht immer schätzen Klient:innen diese Unterstützung. Sie fühlen sich bevormundet, glauben, man wolle ihnen etwas wegnehmen. Doch es geht nicht um Kontrolle und Misstrauen gegenüber den Klient:innen, sondern um Selbstbestimmung, Schutz und das Recht auf ein möglichst eigenständiges Leben. Engagement mit Haltung Die Mitarbeiter:innen des Vereins ifs Erwachsenenvertretung, Patientenanwaltschaft und Bewohnervertretung brauchen viel Feingefühl und Klarheit – und müssen es mitunter aushalten, missverstanden zu werden. Aber ihre Arbeit, ihr Einsatz für den Schutz, die Freiheit und die Würde der Klient:innen ist äußerst wichtig. Wir als Gesellschaft brauchen Menschen, die den Mut haben, für andere einzustehen, und die Geduld, sich gemeinsam auf den Weg zu machen. Ein Dank In diesem Sinne möchte ich allen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen der ifs Erwachsenenvertretung, Patientenanwaltschaft und Bewohnervertretung meinen herzlichen Dank aussprechen. Mit ihrem persönlichen Engagement für den Schutz, die Freiheit und die Würde der Menschen leisten sie einen bedeutenden Beitrag zu einer gerechteren Gesellschaft. Zudem gilt mein Dank unseren Auftraggeber:innen, dem Bundesministerium für Justiz, dem Land Vorarlberg und dem Vorarlberger Sozialfonds. Ihre Unterstützung bildet die Grundlage, dass wir uns mit voller Kraft für die Anliegen der Klient:innen einsetzen können. Ebenso danke ich unseren Kooperationspartner:innen, den Gerichten, dem Landeskrankenhaus Rankweil, den Alten- und Pflegeheimen, Krankenhäusern, Behinderteneinrichtungen und Einrichtungen zur Pflege und Erziehung von Minderjährigen, für die stets respektvolle Zusammenarbeit. ○ Mag.Dr. Martina Gasser, MBA Obfrau des Vereins ifs Erwachsenenvertretung, Patientenanwaltschaft und Bewohnervertretung

Jahresbericht 2024 4 ifs Erwachsenenvertretung In Sachen Mensch Allgemeines Das Jahr 2024 stellte einen bedeu- tenden Meilenstein für die ifs Er- wachsenenvertretung dar: Mit dem Abschluss aller noch offenen Erneuerungsverfahren für „alte Sachwalterschaften“ konnte eine der größ- ten Herausforderungen der vergangenen Jahre erfolgreich bewältigt werden. Mit Inkrafttreten des Erwachsenenschutzgesetzes wurden alle bestehenden Sachwalterschaften am 1. Juli 2018 von Gesetzes wegen – sozusagen automatisch – in gerichtliche Erwachsenenvertretungen umgewandelt. Für die Erneuerung dieser übergeleiteten „alten Sachwalterschaften“ galt eine Übergangsfrist bis 31. Dezember 2023. Bis dahin mussten die Gerichte für alle betroffenen Personen ein Erneuerungsverfahren eröffnen, wobei die Erwachsenenschutz-Vereine jeweils ein Erneuerungs-Clearing durchzuführen hatten. Ein Ziel des gerichtlichen Erneuerungsverfahrens und des damit verbundenen Erneuerungs-Clearings ist es, zu prüfen, ob eine Vertretung tatsächlich notwendig ist und in welcher Form diese künftig erfolgen soll. Um der betroffenen Person ein Höchstmaß an Selbstbestimmung zu ermöglichen, ist bei Vorliegen der Voraussetzungen bevorzugt die außergerichtliche Registrierung einer „gewählten Erwachsenenvertretung“ anzustreben. Die ifs Erwachsenenvertretung bewältigte die zusätzliche Aufgabe der Erneuerungs-Clearings erfolgreich: In der überwiegenden Zahl aller 1.980 Fälle, die per 1. Juli 2018 in Vorarlberg bestanden, wurde fristgerecht ein Clearingbericht erstattet. Die letzten noch offenen Erneuerungsverfahren konnten im ersten Halbjahr 2024 abgeschlossen werden. Damit ist der gesamte Überleitungsprozess nun vollständig beendet. Diese außergewöhnliche Herausforderung hatte auch im Jahr 2024 Auswirkungen auf die Kapazitäten der ifs Erwachsenenvertretung; insbesondere im Bereich der „Erwachsenenvertretung Classic“, in der die ifs Erwachsenenvertretung selbst als gerichtliche Erwachsenenvertreterin bestellt wird. Nach Abschluss des Überleitungsprozesses wäre grundsätzlich zu erwarten gewesen, dass wieder mehr Kapazitäten für die „Erwachsenenvertretung-Classic“ zur Verfügung stehen, um den Bedarf zu decken. Allerdings sah sich die ifs Erwachsenenvertretung in den Jahren 2023 und 2024 mit einer relativ hohen Personalfluktuation konfrontiert. Diese wirkte sich vor allem auf das Tätigkeitsfeld der „Erwachsenenvertretung-Classic“ aus, da neue Mitarbeiter:innen noch nicht im „Clearing“ eingesetzt werden können. - Seit Juli 2023 traten 7 Erwachsenenvertreter:innen ein. Dies sind 5,3 von insgesamt 13,82 Vollzeitstellen in der EV-Classic, was 38,35 Prozent entspricht. - Seit August 2024 traten 3 Erwachsenenvertreter:innen ein. Dies sind 2,13 von insgesamt 13,82 Vollzeitstellen in der EV-Classic, was 15,4 Prozent entspricht. Neue Mitarbeiter:innen benötigen für die Aufgabe als Erwachsenenvertreter:in eine relativ lange Einarbeitungszeit. Während dieser Zeit können sie noch nicht die vorgesehene Gesamtanzahl an VertretungsFällen übernehmen. Mit zunehmender Arbeitserfahrung lassen sich die Abläufe jedoch effizienter und schneller erledigen. Des Weiteren erweist sich die Anwerbung neuer ehrenamtlicher Erwachsenenvertreter:innen als immer schwieriger. So ist die An- zahl der ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen von 180 per 31.12.2015 auf 141 per 31.12.2023 und zuletzt 138 per 31.12.2024 gesunken. Auch der Personalmangel in den Vorarlberger Pflegeheimen wirkt sich nachteilig auf die Kapazitäten der ifs Erwachsenenvertretung aus, denn dieser führt zu geringeren Aufnahmekapazitäten, wodurch die Zahl der häuslichen 24-Stunden-Betreuungen stetig steigt. Die Vertretung

5 ifs Erwachsenenvertretung in einer 24-Stunden-Betreuung ist weitaus zeitintensiver als die Ver- tretung einer im Pflegeheim betreuten Person. Aus all diesen Gründen musste die ifs Erwachsenenvertretung – entgegen der langjährigen Praxis – sowohl im Jahr 2023 als auch im Jahre 2024 die Übernahme von Erwachsenenvertretungen in manchen Fällen aus Kapazitätsgründen ablehnen. Wünschenswert und notwendig wäre hingegen die bedarfsgerechte Übernahme aller Erwachsenenvertretungen für Personen, denen keine nahestehende Person zur Verfügung steht oder bei denen nicht überwiegend rechtliche Angelegenheiten (Rechtsanwaltszuständigkeit) zu erledigen sind. Positiv hervorzuheben ist allerdings, dass der Anteil der ifs Erwachsenenvertretung an allen (ständigen) gerichtlichen Erwachsenenvertretungen in Vorarlberg mit 45,42 Prozent (Stand: 01.01.2025) im österreichischen Vergleich weiterhin außergewöhnlich hoch ist. Ungeachtet der oben dargestellten Herausforderungen bleibt das vorrangige Ziel der ifs Erwachsenvertretung auch künftig die Übernahme von Erwachsenenvertretungen für möglichst alle Menschen, die sonst von niemandem vertreten werden würden. Daten und Fakten – Auswertung der Dokumentation – Überblick zu allen Tätigkeitsbereichen Im vergangenen Jahr vertraten die ifs Erwachsenenvertreter:innen im Bereich „ErwachsenenvertretungClassic“ insgesamt 710 Klient:innen und erhielt von den Gerichten 661 (anzunehmende) Clearingaufträge. Abgeschlossen wurden insgesamt 701 Clearings. Des Weiteren registrierte die ifs Erwachsenenvertretung die Errichtung von drei Vorsorgevollmachten, 73 gewählten und 168 gesetzlichen Erwachsenenvertretungen. Zudem führte die ifs Erwachsenenvertretung im Rahmen von Beratungen, Schulungen und Vorträgen zu den Themen gewählte/gesetzliche/ gerichtliche Erwachsenenvertretung und Vorsorgevollmacht insgesamt 914 Beratungen durch und vermittelte in vier Informationsveranstaltungen Wissen. Gerichtliche Erwachsenenvertretung Zahlenmäßige Veränderungen Die ifs Erwachsenenvertretung übernahm im Rahmen der

Jahresbericht 2024 6 „Erwachsenenvertretung-Classic“ im Jahr 2024 die Vertretung von ins- gesamt 710 Personen, was im Vergleich zum Vorjahr einem Rückgang um 0,42 Prozent entspricht. Bei den Neuzugängen – insgesamt 75 – ist hingegen verglichen mit dem Jahr 2023 eine deutliche Steigerung von 47,06 Prozent zu verzeichnen. Um die hauptberuflichen VereinsErwachsenenvertreter:innen zu entlasten, wurden insgesamt 34 Klient:innen an ehrenamtliche ifs Erwachsenenvertreter:innen, zwei Klient:innen an Angehörige und eine Person an eine Rechtsanwältin übergeben. Im Rahmen dieser kapazitätserhaltenden Maßnahmen fanden im Vergleich zum vorangegangenen Jahr annähernd gleich viele Übergaben an ehrenamtliche Erwachsenenvertreter:innen statt, während deutlich weniger Übergaben an Angehörige und Rechtsanwält:innen erfolgten. In 12 Fällen konnte eine Einstellung des Verfahrens oder eine Beendigung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung erreicht werden. Diese Zahl entsprich nahezu jener des Vorjahres. Mit Stichtag 31.12.2024 wurden insgesamt 653 Klient:innen vertreten, was verglichen mit dem Vorjahresstichtag eine Steigerung um 2,83 Prozent bedeutet. 264 dieser Klient:innen wurden durch ehrenamtliche Mitarbeiter:innen vertreten. Im Jahr 2024 musste die ifs Erwachsenenvertretung – wie bereits berichtet – bei der bedarfsgerechten Übernahme von Erwachsenenvertretungen leider Abstriche machen. Die Bedarfsdeckung konnte nicht umfassend gewährleistet werden und die ifs Erwachsenenvertretung musste entgegen ihrer langjährigen Praxis in manchen Fällen die Übernahme von Erwachsenenvertretungen aus Kapazitätsgründen ablehnen. Mit 45,42 Prozent (zuletzt erhoben per 01.01.2025) an allen (ständigen) gerichtlichen Erwachsenenvertretungen in Vorarlberg hat die ifs Erwachsenenvertretung im österreichweiten Vergleich aber weiterhin einen besonders hohen Anteil. Im vergangenen Jahr erfolgte im Rahmen der „Erwachsenenvertretung-Classic“ in 137 Fällen eine Erneuerung der gerichtlichen Erwach- senenvertretung. Dies stellt im Vergleich zu 2023 (237 Erneuerungen) eine Reduzierung um 42,19 Prozent dar. In 9,58 Prozent aller von der ifs Erwachsenenvertretung wahrgenommenen Erwachsenenvertretungen Gerichtliche EV Bezirksgericht 2023 2024 Bezau 24 29 Bludenz 120 118 Bregenz 164 168 Dornbirn 135 138 Feldkirch 191 198 Anderes Gericht 1 2 Gesamt 635 653 * jeweils per 31.12. Erwachsenenvertretung-Classic 2023 2024 Klient:innen insgesamt (01.01. – 31.12.) 713 710 -0,42% gerichtliche Bestellungen (Neuzugänge) 51 75 47,06% übergeben an Ehrenamtliche 35 34 -2,86% übergeben an Externe 17 5 -70,59% Einstellung/Beendigung 13 12 -7,69% Tod 48 38 -20,83% Betreuungsstellen (Ø) 14,97* 14,02 -6,35% Klient:innen pro Arbeitskapazität (Ø) 47,63 50,64 6,32% Klient:innen per 31.12. 635 653 2,83% davon Rechtsbeistandschaft im Verfahren 15 23 53,33% davon Erwachsenenvertretungen hauptberuflich 358 366 2,23% davon Erwachsenenvertretungen ehrenamtlich 262 264 0,76% Klient:innen pro bestelltem EA-EV (Ø) 1,86 1,91 2,69% Betreuungsstellen 15,10* 13,82 -8,48% Klient:innen pro Betreuungsstelle (Ø) 42,05 47,25 12,37% *kurzfristige Erhöhung durch vorgezogene Nachbesetzung,

7 ifs Erwachsenenvertretung (einschließlich Verfahren) musste von den Gerichten ein die Selbstbestimmung am weitesten einschränkender Genehmigungsvorbehalt angeordnet werden. Bezogen auf alle (ständigen) gerichtlichen Erwachsenenvertretungen in Vorarlberg gibt es in 10,24 Prozent der Fälle einen Genehmigungsvorbehalt (zuletzt erhoben per 01.01.2025). Gerichtliche Anfragen auf Übernahme (oder Clearing) Im Jahr 2024 übermittelten die fünf Vorarlberger Bezirksgerichte insgesamt 680 Fälle an die ifs Erwachsenenvertretung und ersuchten diese, entweder direkt die gerichtliche Erwachsenenvertretung zu übernehmen oder ein Clearing durchzuführen. Eine direkte Übernahme ohne vorherige Durchführung eines Clearings erfolgte in einem Fall. In 18 Fällen war der Clearingauftrag nicht anzunehmen (z. B. wegen Ablebens der betroffenen Person). Es verblieben daher im Berichtsjahr insgesamt 661 (anzunehmende) Clearingaufträge. Klient:innenbezogene Auswertung der Dokumentation der gerichtlichen Erwachsenenvertretung Die Dokumentation umfasst alle Fälle, für die im Jahr 2024 die ifs Erwachsenenvertretung als gerichtliche Erwachsenenvertreterin bestellt war („Erwachsenenvertretung-Classic“). Die Prozentangaben beziehen sich jeweils auf die Anzahl der betreuten Klient:innen im Berichtsjahr (Gesamtzahl 2024: 710 Klient:innen, Neubestellungen 2024: 75 Klient:innen). Altersstruktur in gerichtlicher Erwachsenenvertretung Entgegen häufiger Annahmen betrug der Anteil an hochbetagten Klient:innen lediglich 20 Prozent, weitere 18 Prozent waren zwischen 65 und 74 Jahre alt. Der größte Teil der Klient:innen – insgesamt 62 Prozent – war unter 65 Jahre alt. Bei gesonderter Betrachtung der Neuzugänge wird aber deutlich, dass der Anteil an hochbetagten Klient:innen (ab 75 Jahren) mit 29 Prozent deutlich höher war. Gerichtliche Anfragen 2023 2024 Anfragen insgesamt 1.061 680 -35,91% Direkte Übernahmen 2 1 -50,00% Direkte Ablehnungen 14 18 28,57% bis Jahre , bis Jahre , bis Jahre , bis Jahre , bis Jahre , bis Jahre , und darüber , Altersstruktur Gesamtzahl 2024 Zugänge 2024 bis 24 Jahre 27 3,80% 6 8,00% 25 bis 34 Jahre 67 9,44% 6 8,00% 35 bis 44 Jahre 95 13,38% 6 8,00% 45 bis 54 Jahre 107 15,07% 9 12,00% 55 bis 64 Jahre 142 20,00% 10 13,33% 65 bis 74 Jahre 127 17,89% 16 21,33% 75 und darüber 145 20,42% 22 29,34%

Jahresbericht 2024 8 Geschlechterverteilung Im Berichtsjahr vertrat die ifs Erwachsenenvertretung im Bereich „Erwachsenenvertretung-Classic“ 48 Prozent weibliche und 52 Prozent männliche Klient:innen. Initiative für Bestellung In 69 Prozent aller Neuzugänge ging die Initiative für die Bestellung einer von der ifs Erwachsenenvertretung wahrgenommenen gerichtlichen Erwachsenenvertretung von einer Institution wie einem Pflegeheim, Krankenhaus, Amt (z. B. Bezirkshauptmannschaft, Gemeinde, Gericht), einem Notariat oder einer professionellen psychosozialen Betreuungseinrichtung aus. Angehörige regten nur bei 24 Prozent der Neuzugänge eine gerichtliche Erwachsenenvertretung an. Gründe für Bestellung Grund für die Einrichtung einer von der ifs Erwachsenenvertretung wahrgenommenen Erwachsenenvertretung war in 56 Prozent der Fälle eine psychische Erkrankung oder eine Mehrfacherkrankung. In 32 Prozent lag eine intellektuell-kognitive Beeinträchtigung vor, eine diagnostizierte Demenzerkrankung bei 12 Prozent. Aufgabenbereiche der gerichtlichen Erwachsenenvertretung Der jeweilige Aufgabenbereich für jede einzelne (ständige) gerichtliche Erwachsenenvertretung wird in einem Beschluss des zuständigen Bezirksgerichts bestimmt. Eine Erwachsenenvertretung für „alle Angelegenheiten“ gab es im Vorjahr nur noch in einem einzigen Fall. Dem Gericht ist es seit Inkrafttreten des Erwachsenenschutzgesetzes nicht mehr erlaubt, diese Art der Vertretung neu zu beschließen. Aus diesem Grund wird es die Erwachsenenvertretung für „alle Angelegenheiten“ spätestens nach dem vollständigen Abschluss der entsprechenden Erneuerungsverfahren durch das Gericht nicht mehr geben. Gründe für Bestellung Gesamtzahl 2024 Zugänge 2024 Demenz 79 12,18% 11 28,95% Kognitive Beeinträchtigung 209 32,20% 13 34,21% Psychische Erkrankung 361 55,62% 14 36,84% Initiative für Bestellung Gesamtzahl 2024 Zugänge 2024 Anregung Institution 509 71,69% 52 69,33% Anregung nahestehende Person 152 21,41% 18 24,00% Eigene Antragstellung 49 6,90% 5 6,67%

9 ifs Erwachsenenvertretung Ehrenamtliche oder hauptberufliche Vertretung (einschließlich Verfahren) Die hauptberuflichen Erwachsenenvertreter:innen vertraten per 31.12.2024 rund 60 Prozent aller Klient:innen, die ehrenamtlichen Erwachsenenvertreter:innen 40 Prozent. Somit stellen die (per 31.12.2024) 138 ehrenamtlichen Erwachsenenvertreter:innen eine we- sentliche Stütze der ifs Erwachsenenvertretung dar und gewährleisten eine ganz persönliche Betreuung der Klient:innen. Clearing/Abklärung Die fünf Vorarlberger Bezirksgerichte übermittelten im Berichtsjahr insgesamt 680 Fälle zur Durchführung eines Clearings (oder mit der Anfrage auf direkte Übernahme) an die ifs Erwachsenenvertretung. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht dies einer – nach Abschluss des Überleitungsprozesses bei den „alten Sach- walterschaften“ zu erwartenden – Reduzierung um 35,9 Prozent. In einem Fall erfolgte eine direkte Übernahme ohne Durchführung eines Clearings. Direkt abgelehnt bzw. zurückgelegt wurde der Clearingauftrag in 18 Fällen, vor allem da die betroffenen Personen zwischenzeitlich verstorben waren. So verblieben im vergangenen Jahr 661 Clearingaufträge. Insgesamt 701 Clearings konnten mit einem Clearingbericht abgeschlossen werden. Somit wurden 2024 um 30,53 Prozent weniger Clearingberichte erstattet als 2023. Auswertung der Dokumentation Clearing 2023 2024 Anfragen 1.061 680 nach Gerichten Bregenz 282 189 Bezau 92 28 Bludenz 102 107 Dornbirn 184 177 Feldkirch 397 179 Anderes Gericht 2 0 Erstellte Clearingberichte 1.009 701 davon im Erneuerungsclearing 589 255 Registrierung aus Clearing 80 74 Beendigung / kein Verfahren 244 218 keine Krankheit 16 17 Vorsorgevollmacht möglich 1 4 keine Angelegenheiten 35 42 andere Hilfen 73 65 gesetzliche EV möglich 56 36 gewählte EV möglich 48 43 Tod 5 2 Sonstiges 10 9 Erwachsenenvertretungs-Verfahren nur Verfahren 56 51 einstweilige Erwachsenenvertretung 135 133 bestehende EV fortsetzen 515 256 Vorgeschlagene Erwachsenenvertreter:in nahestehende Person 273 116 Rechtsanwalt:anwältin/Notar:in 168 161 ifs Erwachsenenvertretung 246 159 kein Vorschlag 3 0

Jahresbericht 2024 10 In 74 Fällen bzw. in 10,56 Prozent aller erledigten Clearingaufträge konnte die ifs Erwachsenenvertretung selbst die Registrierung einer gewählten oder gesetzlichen Erwachsenenvertretung im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) vornehmen. In diesen Fällen bedurfte es in der Regel keines ausführlichen Clearingberichts (in Langform); ein Clearingbericht in Kurzform war hier ausreichend. In 31 Prozent der abgeschlossenen Clearings – mit ausführlichem oder gekürztem Clearingbericht (bei unmittelbar anschließender Registrierung durch die ifs Erwach- senenvertretung) – wurde die Einstellung des gerichtlichen Verfahrens empfohlen. Dies bestätigt deutlich, dass die Durchführung von Clearings (allenfalls mit gleich anschließender Registrierung im ÖZVV) wesentlich zu einer Reduktion der Zahl an gerichtlichen Erwachsenenvertretungen beiträgt. Die Fortsetzung des Verfahrens oder die Weiterführung einer bereits bestehenden gerichtlichen Erwachsenenvertretung wurde in den restlichen 69 Prozent der Fälle empfohlen. Da weder eine tragfähige „Alternative“ zur gerichtlichen Erwachsenenvertretung bestand noch eine andere als Erwachsenenvertreter:in geeignete Person aus dem Kreis der Angehörigen oder Nahestehenden verfügbar war, wurde in 159 Clearing-Fällen (einschließlich Erneuerungsclearings) angeregt, die ifs Erwachsenenvertretung als Rechtsbeistand im Verfahren oder als gerichtliche Erwachsenenvertreterin zu bestellen. Aus Kapazitätsgründen achtete die ifs Erwachsenenvertretung weiterhin auf die Abgrenzung gegenüber Angehörigen und Nahestehenden sowie gegenüber Rechtsanwält:innen und Notar:innen. Der Anteil der als gerichtliche Erwachsenenvertreter:innen empfohlenen Angehörigen/ Nahestehenden betrug 27 Prozent. Der Anteil der Rechtsanwält:innen/ Notar:innen stieg auf beachtliche 37 Prozent, während jener der ifs Erwachsenenvertretung un- verändert bei 36 Prozent lag. In 293 Fällen wurde eine Abklärung bereits bestehender gerichtlicher Erwachsenenvertretungen vorgenom- . Erneuerungsclearing Clearing gesamt Clearing 2018 bis 2024

11 ifs Erwachsenenvertretung men, davon 255 im Erneuerungsverfahren. Damit reduzierten sich die Erneuerungsclearings erwartungsgemäß um beachtliche 43 Prozent. Im Erneuerungsverfahren wird insbesondere geprüft, ob die jeweilige gerichtliche Erwachsenenvertretung tatsächlich noch notwendig ist, ob stattdessen eine gewählte oder gesetzliche Erwachsenenvertretung registriert werden kann oder wer allenfalls die jeweilige gerichtliche Erwachsenenvertretung übernehmen könnte. Nach dem Erneuerungsclearing wurde in 14 Prozent dieser Fälle die Beendigung einer (bestehenden) gerichtlichen Erwachsenenvertretung angeregt. Die Entscheidungen der Pflegschaftsrichter:innen der fünf Vorarlberger Bezirksgerichte stimmten erfreulicherweise in hohem Maße mit den Empfehlungen der ifs Er- wachsenenvertretung in den Clearingberichten überein. Registrierung im ÖZVV Die ifs Erwachsenenvertretung als Erwachsenenschutzverein für Vorarlberg stellt eine jener Institutionen dar, die zur Registrierung im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) berechtigt sind. Insgesamt 278 Registrierungen – um 2 Prozent weniger als im Jahr zuvor – wurden 2024 vorgenommen. So wurde die Errichtung von drei Vorsorgevollmachten, 73 gewählten und 168 gesetzlichen Erwachsenenvertretungen registriert. Die im Sinne der Selbstbestimmung besonders wünschenswerte Registrierung einer gewählten Erwachsenenvertretung war somit in 30 Prozent aller bei der ifs Erwachsenenvertretung errichteten Erwachsenenvertretungen möglich. Beratungen und Vorträge Mit Beratung und gezielter Öffentlichkeitsarbeit werden psychosoziale Einrichtungen und Angehörige über die Erwachsenenvertretung sowie deren Alternativen aufgeklärt; dies unter anderem auch mit dem Ziel, dass die Einrichtung einer Erwachsenenvertretung nur in unbedingt notwendigen Fällen erfolgt. In den Besprechungen mit Institutionen und im Rahmen von Informationsveranstaltungen galt es auch, das geltende Erwachsenenschutzgesetz vorzustellen und Kenntnisse zu den Errichtung gewählte EV Errichtung gesetzliche EV Übersicht der Registrierungen im ÖZVV 2023 2024 Errichtung gewählte EV 74 30,71% 73 30,29% Errichtung gesetzliche EV 167 69,29% 168 69,71% positive EV-Verfügung 0 - 1 - negative EV-Verfügung 0 - 1 - Errichtung Vorsorgevollmacht 4 - 3 - Registrierungen insgesamt 284 - 278 - . . Übersicht Beratungen 2014 bis 2024

Jahresbericht 2024 12 vier Vertretungsformen des Erwachsenenschutzgesetzes zu vermitteln. Beratungen Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 914 Beratungen dokumentiert. Damit ist die Anzahl im Vergleich zum Vorjahr um 9 Prozent gesunken. Die weiterhin beachtliche Menge an Beratungen lässt sich mit der Funktion der ifs Erwachsenenvertretung im obligatorischen Bestellungsclearing und als Registrierungsstelle erklären. Dank dieser beiden Aufgaben erreicht die ifs Erwachsenenvertretung eine sehr hohe Anzahl künftiger Erwachsenenvertreter:innen aus dem Kreis der Angehörigen und Nahestehenden. Stellen sich diesen im Rahmen der anschließenden Führung von Erwachsenenvertretungen Fragen, wenden sie sich wieder an die ihnen bereits bekannten Mitar- beiter:innen der ifs Erwachsenen- vertretung. Vorträge Im Berichtsjahr fanden vier Informationsveranstaltungen statt, in denen die ifs Erwachsenenvertretung über die Themen Vorsorgevollmacht, ge- wählte/gesetzliche/gerichtliche Erwachsenenvertretung sowie ganz allgemein über das Erwachsenenschutzgesetz informierte. Fachaufsicht/Regionalleitung Die ifs-interne Kontrolle der Pflegschaftsberichte im Sinne eines qua- lifizierten Vier-Augen-Prinzips ist ein wesentliches Instrument, um die Fachlichkeit im Fachbereich „Erwachsenenvertretung-Classic“ sicherzustellen. Die zuständige Regionalleitung kontrolliert die Pflegschaftsberichte und damit die interne Rechnungslegung der hauptberuflichen und ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen. Aktuell wird die Funktion der Regionalleitung für Bregenz von Mag. Gertrud Dünser, jene für Dornbirn von Dr. Mai Salzmann, jene für Feldkirch von Maria Schnetzer, BA, und jene für Bludenz von Mag. Michaela Reiner wahrgenommen. Um den Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) zur Personensorge, der In- tention der UN-Behindertenrechtskonvention sowie dem Erwachsenenschutzgesetz gerecht zu werden, enthält die Schreibvorlage „Pflegschaftsbericht“ im Kapitel „Lebenssituationsbericht“ folgende Unterpunkte: - Häufigkeit bzw. Intervalle der persönlichen und telefonischen Kontakte - Ziele und Planung - Alternativen zur gerichtlichen Erwachsenenvertretung bzw. Notwendigkeit der Vereins-Erwachsenenvertretung - Notwendigkeit eines Genehmigungsvorbehalts Auch wenn die ifs Erwachsenenvertretung mittlerweile in vielen Fällen von der laufenden Rechnungslegung gegenüber dem Gericht befreit ist, übermittelt sie dem Gericht mit dem „Pflegschaftsbericht“ nach wie vor – ohne gesetzliche Verpflichtung – in jedem Fall auch einen „Vermögensbericht“. Ziel ist dabei die Herstellung von Transparenz. Die ifs Erwachsenenvertretung weist jene Klient:innen, die im Rahmen der „ErwachsenenvertretungClassic“ vertretenen werden, auf die Beschwerdemöglichkeiten hin. Die Klient:innen erhalten direkte und schriftliche Informationen, dass in ihrer Sache bestimmte ehrenamtliche oder hauptberufliche Mitarbeiter:innen für die ifs Erwachsenenvertretung tätig sind. Damit soll die Möglichkeit eröffnet werden, bei Bedarf ein Gespräch mit der jeweils vorgesetzten Person zu suchen. Ressourcen Es sind entsprechende finanzielle Mittel erforderlich, um die durch das Erwachsenenschutzgesetz festgelegten Aufgaben der Erwachsenenschutz-Vereine zu erfüllen. Leider ist es mit den Mitteln, die dem Justizministerium für die ifs Erwachsenenvertretung zur Verfügung stehen, nicht möglich, ausreichend Personal einzustellen, um die vorgesehenen Aufgaben vollumfänglich umzusetzen. Folglich konnte die Errichtung und Registrierung von Vorsorgevollmachten im Jahr 2024 aus Kapazitätsgründen nur in sehr begrenztem Umfang erfolgen. Zudem konnte die bisher gewohnte Bedarfsdeckung bei der Übernahme von Erwachsenenvertretungen im Berichtsjahr nicht aufrechterhalten werden, da die Kapazitäten der ifs Erwachsenenver- tretung dafür nicht ausreichten. Ehrung langjähriger ehrenamtlicher ifs VereinsErwachsenenvertreter:innen Am 20. September 2024 fand in Feldkirch das traditionelle Herbstfest der ifs Erwachsenenvertretung statt, an dem 95 Personen teilnahmen. Im feierlichen Rahmen konnten Landesrätin Martina Rüscher, MBA MSc, Landesrätin Katharina Wiesflecker, der Bürgermeister der Stadt Feldkrirch Manfred Rädler, sowie die Vereinsobfrau und ifs Geschäftsführerin Dr. Martina Gasser und der Leiter der ifs Erwachsenenvertretung Mag. Günter Nägele die in großer Zahl erschienen ehrenamtlichen

13 ifs Erwachsenenvertretung ifs Vereins-Erwachsenenvertreter:innen begrüßen und deren Engagement würdigen. Nach einem Vortrag zur Ausstellung „Ästhetik der Existenz ... das Leben, ein Kunstwerk“ im Palais Liechtenstein bot ein gemeinsames Abendessen im Montforthaus den geeigneten Rahmen, um den zahlreichen ehrenamtlichen ifs VereinsErwachsenenvertreter:innen für ihren Einsatz zu danken. Ein besonderer Dank gilt für 10 Jahre Engagement: Ingrid Kessler, Alfons Längle, Rita Bastigkeit, Walter Jochum, Klaus Luftensteiner, Michaela Fabing, Virginia Sudec, Kornelia Steu für 15 Jahre Engagement: Isolde Nussbaumer, Edward Bartosek, Anna Heil, Elfgard Mäser, Josef Summer, Johanna Soraperra für 20 Jahre Engagement: Brigitte Pfleger, Helga Fehr, Heinz Reisch, Nadine Castro-Valdes, Maria Fritsch und Luis Sonderegger für 25 Jahre Engagement: Doris Seeber-Süss, Werner Ertl, Sylvia Nagelschmied 30 Jahre Engagement: Helga Nussbaumer, Sabine Brunold, Luis Hoch, Annelies Müller, Werner Büchel, Sophie Unterfurtner Katharina Wiesflecker, Martina Gasser und Günter Nägele überreichten den Jubilar:innen eine kleine Anerkennung. ○ Mag. Günter Nägele Leiter ifs Erwachsenenvertretung

Jahresbericht 2024 14 Allgemeines Seit Juli 2023 gelten die neuen Bestimmungen des Unterbringungsgesetzes, die sukzessive in den Kli- nikalltag integriert werden. Ein wichtiges Anliegen der Reform war und ist es, die Rechte der Menschen im psychiatrischen Krankenhaus mit den Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention in Einklang zu bringen, das heißt deren Rechte auf Selbstbestimmung zu stärken. Dazu zählt insbesondere das Recht, eine Vertrauensperson namhaft zu machen sowie selbst über eine Behandlung entscheiden zu können. Eine Behandlung gegen den Willen des:der Patient:in darf lediglich in Gefahr-in-Verzug-Situationen oder nach vorheriger Genehmigung der Behandlung durch das Gericht erfolgen. Es soll weniger über die Patient:innen, sondern mehr mit ifs Patientenanwaltschaft Würde durch Mitbestimmung

15 ifs Patientenanwaltschaft ihnen gesprochen werden. Um die Integrierung und Zusammenarbeit weiter zu verbessern, sind nun auch Abschlussgespräche zu führen, um den Klinikaufenthalt gemeinsam mit dem:der Patient:in zu reflektieren sowie gegebenenfalls eine Behandlungsvereinbarung für zukünftige Klinikaufenthalte zu treffen. Ein weiteres Ziel der Reform war die Verbesserung der Koordination und Zusammenarbeit aller am Unterbringungsgesetz beteiligten Berufsgruppen und Einrichtungen. Hierzu zählen auch zusätzliche Informations- und Verständigungspflichten der einweisenden und behandelnden Ärzt:innen, die mit einer ausführlichen Dokumentation einhergehen. Um den Mehraufwand leichter bewältigen zu können, ist es geplant, das Dokumentationssystem des Krankenhauses zu verbessern. Daten und Fakten – Auswertung der Dokumentation Die ifs Patientenanwaltschaft vertrat im Jahr 2024 insgesamt 1.146 Patient:innen im Unterbringungsverfahren (1.103 neue Unterbringungen plus 43 untergebrachte Patient:innen aus 2023). Dies entspricht in etwa dem Durchschnitt an Unterbringungen in den letzten Jahren. Auch bei den Unterbringungen pro Person sowie den Mehrfachunterbringungen ergaben sich keine gravierenden Änderungen. Dauer der Unterbringung Die Tendenz zu kurzen Unterbringungen setzte sich im Jahr 2024 weiter fort. Wie im Vorjahr konnten nach vier Tagen 48 Prozent der Unterbringungen aufgehoben werden (2002 waren es noch 23 Prozent). Insgesamt wurden die Unterbringungen bei fehlenden Voraussetzungen und aufgrund von Kapazitätsengpässen sukzessive aufgehoben, sodass nach 18 Tagen nur noch 16 Prozent der Unterbringungen aufrecht waren. Gerichtstermine Die beschriebene Entwicklung führte zudem zu einem weiteren Rückgang der Gerichtstermine um insgesamt 11 Prozent. Bei den durchgeführten Erstanhörungen konnte im Vergleich zu 2023 eine Verringerung um 9 Prozent, bei den Tagsatzungen sogar eine Verringerung um 18 Prozent verzeichnet werden. Der Rückgang an Unterbringungen und Gerichtsterminen ist einerseits auf die konsequente Aufhebungspraxis der behandelnden Ärzt:innen bei fehlenden Unterbringungskriterien zurückzuführen. Darüber hinaus bemühen sich alle Beteiligten, die Patient:innen zu einem weiteren Krankenhausaufenthalt auf freiwilliger Basis zu motivieren. Viele Anzahl der Unterbringungen pro Person 2020 2021 2022 2023 2024 1 578 578 656 587 551 2 129 106 119 118 102 3 34 33 42 30 33 4 14 8 11 15 14 5 6 10 12 7 9 mehr als 5 5 7 16 15 14 Anzahl der Unterbringungen 2020 2021 2022 2023 2024 (01.01. bis 31.12.) 1.103 1.067 1.289 1.165 1.103 Gerichtstermine 2020 2021 2022 2023 2024 Erstanhörung 734 664 715 648 590 Tagsatzung 290 277 312 294 242 Gerichtstermine gesamt 1.024 941 1.027 942 832

Jahresbericht 2024 16 Betroffene waren mit einem freiwilligen Aufenthalt einverstanden, da keine freien Plätze in betreuten Wohnformen vermittelt werden konnten und auch keine anderen Wohnmöglichkeiten zur Verfü- gung standen. Andererseits sind die kürzeren Unterbringungen auch auf die knap- pen Ressourcen und die damit zusammenhängenden fehlenden Belegmöglichkeiten in allen drei Abteilungen zurückzuführen. Aufgrund des Personalmangels konnten auch im Jahr 2024 über 50 Betten nicht belegt werden. Das führte nicht nur zu einer raschen Aufhebung der Unterbringungen und Entlassung der Patient:innen, sondern teils auch dazu, dass Betroffene aufgrund des Bettenmangels erst gar nicht aufgenommen werden konnten. Verlängerung der Unterbringung Auch bei den Verlängerungen der Unterbringungen konnte ein markanter Rückgang verzeichnet werden. Im Jahr 2024 wurden dem Gericht und der ifs Patientenanwaltschaft lediglich 27 Verlängerungen gemeldet. Psychische Krankheit (Angaben Erstanhörung) Die untergebrachten Patient:innen wiesen nach wie vor ein breites Spektrum an Krankheitsbildern auf. Psychische Krankheit (Angaben Erstanhörung) 2024 Organische Störung 170 15% Verschiedene Formen der Demenz 189 16,5% Delir 31 3% Störung durch psychotrope Substanzen 255 22% Akute Intoxikation 239 21% Entzugssyndrom 5 0,5% Amnestisches (Korsakov) Syndrom 6 0,5% Schizophrene Psychose 141 12% Wahnhafte Störung 12 1% Akute psychotische Störung 299 26% Schizoaffektive Psychose 104 9% Manische Episode 51 4,5% Depressive Episode 101 9% Verhaltensauffälligkeiten (Essstörungen) 18 1,5% Persönlichkeits-/Verhaltensstörung 137 12% Intelligenzminderung 40 3,5% Entwicklungsstörung 4 <0,5% Störung des Sozialverhaltens & der Gefühle 30 3% Mehrfachnennungen möglich, Prozentzahlen gerundet Anzahl beantragter Verlängerungen 2020 2021 2022 2023 2024 40 27 33 41 27 in Prozent zur Gesamtzahl an UB 3,6% 2,5% 2,5% 3,5% 2,4%

17 ifs Patientenanwaltschaft Die in der Unterbringungsmeldung oder bei der Erstanhörung am häufigsten genannten Diagnosen waren eine „Akute psychotische Störung“ (26 Prozent), gefolgt von „Störung durch psychotrope Substanzen“ (22 Prozent) und „Akute Intoxikation“ (21 Prozent). Unverändert hoch war auch der Anteil an Patient:innen, die mit der Diagnose „Persönlichkeits-/ Verhaltensstörung“ untergebracht wurden (12 Prozent). Altersstruktur Die auffälligste Veränderung in Bezug auf die Altersstruktur war der deutliche Anstieg der Unterbringungen in der Kinderpsychiatrie. In der Altersgruppe der 0- bis 13-Jährigen verdoppelte sich die Zahl der Unterbringungen – von 17 im Jahr 2023 auf 34 im Berichtsjahr 2024. Das ist umso erstaunlicher, da der Anteil an Mehrfachunterbringungen vergleichsweise gering war. Insgesamt wurden 26 Kinder untergebracht und damit deutlich mehr als im Jahr 2023, als es lediglich 11 waren. In der Altersgruppe ab 61 Jahren konn- te hingegen ein deutlicher Rückgang um 21 Prozent beobachtet werden. Soziale Situation vor der Unterbringung Nach wie vor wurden die Patient:innen vor ihrer Einweisung bzw. Unter- bringung am häufigsten im allgemeinen Krankenhaus behandelt (18 Prozent) und anschließend auf den gerontopsychiatrischen Stationen weiterbetreut. Zudem zeigte sich, dass immer mehr Patient:innen vor einer Einweisung und/oder Unterbringung bereits in Behandlung bei einem niedergelassenen Facharzt bzw. einer Fachärztin waren. Ebenso stieg die Zahl der Patient:innen, die vor der Unter- bringung in einer betreuten Wohnform lebten. Delir Amnestisches (Korsakov) Syndrom , Schizophrene Psychose Verhaltensauffälligikeiten (Essstörungen) , Akute psychotische Störung Manische Episode , Organische Störung Persönlichkeitsstörung/Verhaltensstörung Versch. Formen der Demenz , Akute Intoxikation Entzugssyndrom , Wahnha e Störung Intelligenzminderung , Störung des Sozialverhaltens & der Gefühle Entwicklungsstörung < , Störungen durch psychotrope Substanzen 22% Depressive Episode 9% Schizoaffektive Psychose Soziale Situation vor der Unterbringung 2023 2024 Keine Betreuung 177 15% 126 12% Betreuung durch nahestehende Person(en) 163 13% 139 13% Arzt:Ärztin für Allgemeinmedizin 57 5% 52 5% Facharzt:ärztin 70 6% 122 11% Ambulanter Fachdienst 155 13% 139 13% Alters-/Pflegeheim 53 4% 48 4,5% Allgemeines Krankenhaus 244 20% 201 18% Betreute Wohnform 37 3% 61 5,5% Freiwilliger Aufenthalt 119 10% 125 11% Mehrfachnennungen möglich, Prozentzahlen gerundet Prozentzahlen gerundet Psychische Krankheit

Jahresbericht 2024 18 Zuweisungen Unverändert sehr gut funktioniert die „Poolärztelösung“ in Vorarlberg. Wie im Vorjahr wurden 34,5 Prozent der untergebrachten Patient:innen mit Bescheinigung durch eine:n im öffentlichen Sanitätsdienst stehende:n Arzt bzw. Ärztin eingewiesen. Die Ärzt:innen sind rund um die Uhr erreichbar und führen die persönlichen Gespräche mit den Patient:innen, Angehörigen und Mitarbeitenden von ambulanten psychi- atrischen Einrichtungen möglichst vor Ort bzw. in der nächstliegenden Polizeidienststelle durch. Wie in den Vorjahren kam der Großteil der untergebrachten Patient:innen ohne Bescheinigung zur Aufnahme. Ein Teil dieser Aufnahmen erfolgte aus eigenem, freiwilligem Entschluss der Patient:innen, die teils von Angehörigen oder Betreuer:innen begleitet wurden, ein anderer Teil über Zuweisung eines Arztes bzw. einer Ärztin. Ist es dem Patienten bzw. der Patientin nicht möglich, zur Zuweisung ins psychi- atrische Krankenhaus Stellung zu nehmen oder sich dazu zu äußern (fehlende Entscheidungsfähigkeit), handelt es sich um eine sonstige Zuweisung. Diese Art der Zuweisung erfolgte meist durch das allgemeine Krankenhaus – mitunter ohne die Patient:innen und/oder deren Angehörige vorab über die geplante Zuweisung zu informieren. Erfreulich ist der nach wie vor geringe Anteil an Einweisungen bei Gefahr in Verzug. Im Jahr 2024 wurden lediglich 19 Patient:innen ohne ärztliche Bescheinigung durch die Polizei direkt ins LKH Rankweil eingewiesen. Dokumentation der Beratungen Die Beratung und Vertretung von nicht untergebrachten Patient:innen Facharzt:ärztin Allgemeines Krankenhaus Betreute Wohnform , Ambulanter Fachdienst  Keine Betreuung  Betreuung durch nahestehende Person(en)  Arzt:Ärztin für Allgemeinmedizin Alters-/Pflegeheim „, Freiwilliger Aufenthalt Prozentzahlen gerundet Soziale Situation vor der Unterbringung Zuweisung 2022 2023 2024 Freiwillig 240 19% 221 19% 267 24% Justizwache 5 <0,5% 3 <o,5% 2 <0,5% Einweisung durch im öffentlichen Sanitätsdienst stehende:n Arzt:Ärztin 455 35% 403 34,5% 378 34,5% Polizei (Gefahr in Verzug) 17 1,3% 17 1,5% 19 1,7% Sonstige Einweisung 504 39% 468 40% 386 35% Nicht bekannt 59 5% 45 4% 38 3,5% Prozentzahlen gerundet Prozentzahlen gerundet Zuweisungen Sonstige Einweisung , Freiwillig Einweisung Arzt:Ärztin im öffentlichen Sanitätsdienst Nicht bekannt , Polizei (Gefahr in Verzug) , Justizwache <

19 ifs Patientenanwaltschaft nahm im Jahr 2024 wieder deutlich zu: Die Patientenanwaltschaft führte insgesamt 180 Beratungen und Vertretungen durch. Im Vordergrund standen vor allem allgemeine Fragen zum Aufenthalt im psychiatrischen Krankenhaus und Beratungen von Patient:innen im Maßnahmenvollzug. Vertretung der im UbG gesetzlich geregelten Patientenrechte Die Unterstützung und Vertretung der Patient:innen bei der Durchsetzung ihrer Rechte ist die zentrale Aufgabe der ifs Patientenanwaltschaft. Durch Informationen und Gespräche wird die Selbstbestimmung der Patient:innen gestärkt, ihre Anliegen gegenüber dem psychiatrischen Krankenhaus werden unterstützt und ihre Rechte im gerichtlichen Überprüfungsverfahren vertreten. Vertretung bei Beschränkungen der Bewegungsfreiheit gem. § 33 UbG Weitergehende Beschränkungen gemäß § 33 UbG, wie Fixierungen im Bett oder das Versperren der Zimmertüre, greifen als Beschränkungsmaßnahmen am stärksten in die Freiheit und Unversehrtheit der Patient:innen ein. Deren inhaltliche und formelle Voraussetzungen sind im Unterbringungsgesetz klar geregelt. Die Patientenanwaltschaft überprüft die Einhaltung und stellt, wenn von den Patient:innen gewünscht oder die Beschränkungsmaßnahme aus ihrer Sicht nicht gerechtfertigt ist, einen Antrag auf Überprüfung bei Gericht. Folgende Entscheidungen sind in diesem Zusammenhang ergangen: - Das Bezirksgericht Feldkirch erklärte eine Fünf-Punkt-Fixierung für unzulässig, da die notwendige Unterbringungsuntersuchung durch eine:n Facharzt bzw. -ärztin erst zahlreiche Stunden nach der bereits erfolgten Beschränkung der Bewegungsfreiheit durchgeführt wurde (14 UB 89/24p). - Ebenfalls aufgrund der verspätet durchgeführten Unterbringungsuntersuchung wurden das Festhalten einer Patientin (39 UB 494/24f) und das Versperren der Zimmertüre bei einem 12-jährigen Patienten (39 UB 182/24y) für unzulässig erklärt. - Die Unterbringung und Fünf-PunktFixierung eines Patienten wurden wegen erheblich verspäteter Meldung (16 Stunden) an die ifs Patientenanwaltschaft für unzulässig erklärt (14 UB 515/24k). - Eine Patientin wünschte die Überprüfung einer Fünf-PunktFixierung, da diese ihrer Meinung nach nicht gerechtfertigt gewesen sei und unverhältnismäßig lange gedauert habe. Sowohl das Bezirksgericht als auch das Landesgericht kamen zu dem Ergebnis, dass keine gelinderen Mittel wie eine 1:1-Betreuung oder eine Raumisolierung mit gleichzeitiger Videoüberwachung möglich gewesen wären (LG Feldkirch 2 R 112/24x). - In der Gerontopsychiatrie erfolgte eine weitere Überprüfung einer Fünf-Punkt-Fixierung an einer 80-jährigen Patientin. Diese wurde von 23:45 Uhr bis 08:50 Uhr im Bett fixiert und infundiert. Das Bezirksgericht erklärte die Fixierung von 07:00 Uhr bis 08:50 Uhr aufgrund des Zustandes der Patientin – eine medizinische Behandlung war nicht mehr notwendig – jedenfalls für un- zulässig. Zudem hätte anstatt der Fünf-Punkt-Fixierung ab Beginn eine 1:1-Betreuung durchgeführt werden müssen. Die Patientin sei durch die Fixierung hilf- und wehrlos, erhöhten Gefahren wie z.B. Aspirationsgefahr bei Erbrechen ausgesetzt, die durch 15-minütige Kontrollgänge nicht rechtzeitig abzuwenden gewesen seien. Auch eine Videoüberwachung oder eine Monitorisierung würde nicht ausreichen, um kritische Situationen rechtzeitig erkennen und behandeln zu können. Das BG Feldkirch verwies dabei auf die Ausführungen des Beratungen 2022 2023 2024 Allgemeine Fragen über Aufenthalt im Krankenhaus, Unterbringung 55 65 92 Beratung Erwachsenenvertretung, Vorsorgevollmacht 5 7 11 Beratung Maßnahmenvollzug 9 20 39 Beratung nicht untergebrachter Patient:innen („Freiwilliger Aufenthalt“) 12 13 26 Beratung Behandlungsfragen, Patientenverfügung 0 5 10 Beschwerde Landesverwaltungsgericht 2 0 2 Gesamt 83 110 180

Jahresbericht 2024 20 Sachverständigen, auf die Expertise von Prof. Dr. Rabl der Gerichtsmedizin Innsbruck, auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes in Deutschland sowie die S3 Leitlinie, die alle in solchen Situationen (Fünf-Punkt-Fixierung) eine permanente 1:1-Überwachung vorsehen (14 UB 530/24s). Neben den gerichtlichen Überprüfungen wird jede Beschränkungsmaßnahme im Einzelfall geprüft. Dazu erfolgen Gespräche mit den Patient:innen über die durchgeführten Maßnahmen, Einsichtnahmen in die Krankengeschichten mit ärztlicher und pflegerischer Dokumentation sowie eine Überprüfung der Gründe für deren Anwendung. Zudem wird hinterfragt, ob weniger eingreifende Maßnahmen als gelinderes Mittel angewendet werden können oder – falls die Beschränkungsmaßnahme bereits beendet wurde – welche schonenderen Alternativen zuvor versucht wurden. Vertretung bei Behandlungsfragen Die gesetzlichen Bestimmungen einer medizinischen Behandlung von untergebrachten Patient:innen sind in der am 1. Juli 2023 in Kraft getreten- en Novelle des Unterbringungsgesetzes wesentlich erneuert worden. Ist ein:e Patientin in Bezug auf die medizinische Behandlung nicht entscheidungsfähig, muss die Patientenanwaltschaft unverzüglich über die Behandlung verständigt werden, um die Rechte der Patient:innen zu wahren und diese zu vertreten. 2024 erhielt die ifs Patientenanwaltschaft 107 solcher Verständigungen. In der Erwachsenenpsychiatrie wird nur sehr selten über fehlende Entscheidungsfähigkeit berichtet, da das behandelnde Team davon ausgeht, dass die Patient:innen selbst entscheiden können und eine Ablehnung der Medikation toleriert wird. In der Ge- rontopsychiatrie hingegen wird dies in der Unterbringungsmeldung vermerkt, da das Krankenhaus noch keine entsprechenden Verständigungsmasken im Datenverarbeitungsprogramm eingerichtet hat. Werden Patient:innen als nicht entscheidungsfähig eingestuft, muss der:die behandelnde Arzt:Ärztin sie darüber informieren, dass vor Durchführung der Behandlung ein Antrag auf Vorabentscheidung beim Unterbringungsgericht eingebracht werden kann. Insgesamt wurden 11 Anträge auf Vorabentscheidung gem. § 34a Abs 3 UbG gestellt (5 vom:von der behandelnden Arzt:Ärztin, jeweils 3 Anträge vom:von der Patient:in bzw. von der ifs Patientenanwaltschaft). Wird ein:e Patient:in bei Gefahr in Verzug gem. § 37 UbG behandelt – zumeist bei gleichzeitig angeordneten Fixierungsmaßnahmen im Bett – ist auch eine Mitteilung an die Patientenanwaltschaft vorgesehen, was in der Praxis überwiegend funktioniert. Im Jahr 2024 wurde bei 223 untergebrachten Patient:innen eine Behandlung bei Gefahr in Verzug durchgeführt. Die Verständigung erfolgt allerdings auf einem Formular betreffend Verständigung über eine Beschränkungsmaßnahme gem. § 33 UbG. Einfache Heilbehandlungen und Behandlung bei Gefahr in Verzug Bei besonderen Heilbehandlungen (Elektrokonvulsionstherapie, Depotbehandlung mit Neuroleptika, Lumbalpunktion, Behandlung mit dem Medikament Leponex) ist bei nicht entscheidungsfähigen Patient:innen vor Beginn der Behandlung eine Genehmigung des Gerichtes erforderlich. 2024 wurden lediglich 7 Anträge gestellt, von denen 6 vom Gericht genehmigt wurden. Der erhebliche Rückgang – im Jahr 2017 wurden 53 Anträge gestellt und 33 Anträge genehmigt – ist darauf zurückzuführen, dass die behandelnden Ärzt:innen bemüht sind, bei besonderen Heilbehandlungen ein Einverständnis mit den Patient:innen zu erzielen. Vertretung bei Beschränkungen gem. § 34 und § 34a Seit der Novelle des UbG müssen Beschränkungen der PersönlichEinfache Heilbehandlung 2023 2024 Verständigung ifs Patientenanwaltschaft bei fehlender Entscheidungsfähigkeit 60 107 Verständigung ifs Patientenanwaltschaft med. Behand- lung Gefahr in Verzug 99 223 Antrag § 36 Abteilungsleiter 5 5 Antrag § 36 Patientenanwaltschaft 2 3 Antrag § 36 Patient/Patientin 1 3

21 ifs Patientenanwaltschaft keitsrechte, wie Beschränkungen des Besuchs- und Telefonrechts, Überwachung durch Videokameras, Entzug der Privatkleidung, Wegnahme persönlicher Gegenstände, Verbot des Ausgangs ins Freie oder Anbringen einer elektronischen Fußfessel bzw. eines Weglaufschutzes, der Patientenanwaltschaft gemeldet werden. Wie bereits 2023 wurde auch 2024 die Videoüberwachung am häufigsten angewendet. Im Jahr 2024 sind 393 Mitteilungen einer Videoüberwachung am Bett erfolgt. Im Vergleich zum Jahr 2023 mit 171 Meldungen bedeutet dies zwar eine erhebliche Steigerung, ist jedoch darauf zurückzuführen, dass mittlerweile alle Videoüberwachungen gesetzeskonform gemeldet werden. Erfahrungsgemäß wird eine Videoüberwachung bei „lebenswichtigem Interesse“ sowie bei akuter Gefährdung angeordnet und nach erfolgter Beruhigung des Notfalls wieder gestoppt. Ein Kritikpunkt bleibt: Für Patient:innen ist es nach wie vor nicht ersichtlich, ob die Videoüberwachung eingeschaltet ist oder nicht. Die ifs Patientenanwaltschaft ließ 2024 den Entzug der Privatkleidung eines 70-jährigen Patienten vom Unterbringungsgericht überprüfen. Trotz Weglaufschutz bzw. Fußfessel musste er einen Krankenhauspyjama tragen, da er wiederholt die Station verließ. Das Bezirksgericht hielt diese Maßnahme für unverhältnismäßig, da die Gefahr durch das Anbringen eines Weglaufschutzes oder anderer elektronischer Ortungssysteme (z. B. GPS-Sender) sowie ausreichend Personal hätte abgewendet werden können. Es folgte somit der ständigen Rechtsprechung, wonach ein räumlicher, organisatorischer und

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