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www.ifs.at Seite 4 Mein Name ist Andreas Bertolini. Ich wurde am 14. Jänner 1967 in Salzburg geboren. Da meine Eltern schon bald nach meiner Geburt geschieden wur- den, bin ich in meinen ersten elf Lebens- jahren bei meinen Großeltern in Villach aufgewachsen. Deswegen fühle ich mich auch als Kärntner. 1979 zog ich zu meinem Vater, dessen Lebensgefährtin und meinem Halbbruder nach Vorarl- berg. Ich habe auch noch einen jünge- ren Bruder. Seit 1986 bin ich im medizinischen Zen- trallabor in Feldkirch beschäftigt. Ich arbeite im Lager für Warenausgabe und bin auch noch für viele verschiedene Tätigkeiten zuständig. Ich habe einen geschützten Arbeitsplatz, da ich mit acht Monaten mit meinem Großvater die Stiege hinunter gestürzt bin und ein schweres Schädelhirntrauma erlitt. Ich lag einige Monate im Koma. Ich bekam lange Zeit epileptische Anfälle. Leider kann ich auch deswegen keinen Führer- schein machen. Aber mit dem Fahrrad und den öffentlichen Verkehrsmitteln komme ich genauso gut voran. 1993 bekam ich die Möglichkeit, in eine vomIfS-Fundament neugegründeteund teilbetreute Wohngemeinschaft in Blu- denz zu ziehen. Ich teilte die Wohnung mit noch zwei Männern, die vorher in ei- ner Vollbetreuung gelebt haben. Das war für mich ein großer Schritt. Die Ab- lösung von meinemVater war für mich ganz wich- tig, um ein eigenes Leben aufzubauen. Ich lernte meine Fähig- keiten zu erweitern und mich auf ein selbstän- diges Leben vorzuberei- ten, mit dem Ziel in eine eigene Wohnung ziehen zu können. Im Jahr 2000 ist mir das dann auch gelungen und ich zog in eine eigene Wohnung. Zunächst war es mir ganz wichtig, dass ich alles alleine schaffe. Doch wurde mir klar, als mir 2007 alles zu viel wurde und ich mich einfach nur noch überfordert fühlte, dass ich noch- mals professionelle Unterstützung be- nötige. Seither kommt meine Betreuerin in regelmäßigen Abständen zu mir und wir vereinbaren dann gemeinsam, was ich noch alles zu erledigen habe oder welche wichtigen Hausarbeiten bei mir anstehen. Das hilft mir, dass ich mich nicht andauernd überfordere. Meine Interessen in der Freizeit sind besonders vielfältig. Ich engagiere mich in einer freien Christengemeinde, foto- grafiere gerne, höre gerne Musik, mag Operetten und bin vor allem ein begeis- terter Fan vom Musical „Elisabeth“, das ich schon 35mal gesehen habe. Es ist mir wichtig, dass ich keine Aufführung versäume, auch wenn ich deshalb weite Zugfahrten auf mich nehmen muss. Da ich Minigolfspielen als Turniersport betreibe, komme ich viel in der Welt herum. Reisen ist meine größte Leiden- schaft. Ich bin zurzeit dabei, über meine Reiseerlebnisse ein Buch zu schreiben. Langeweile kenne ich nicht! Ich würde auch sehr gerne andere Men- schen interviewen. Vielleicht hat je- mand Lust und Interesse. Daraus könnte sich ja noch ein Hobby entwickeln. ● Kurzautobiografie von Andreas Bertolini Vor ein paar Jahren bekam ich ein Buch mit dem Titel „Wohnen auf eigene Ge- fahr“ in die Hand. Fasziniert ging ich dem Gedanken der „Gefahr beimWohnen“ nach.Was ist das Gegenteil davon?Wohnen in Sicherheit? Wohnen bedeutet im eigentlichen Wortsinn „im Frieden bleiben, zufrieden sein“ und „geschützt sein vor Schaden und Bedrohung“.Wohnen ist ein Grund- bedürfnis, wir brauchen einen Bereich, in dem wir uns geborgen fühlen, um überhaupt überleben zu können. Menschen, die den Wunsch haben, ei- genständig zu wohnen, müssen erst die Geborgenheit des Elternhauses verlas- sen, sich auf Neues, Unbekanntes ein- lassen, dann erst (wieder) den Raum fin- den, den sie als den ihren, den eigenen bezeichnen können. Dazu ist ein Entwicklungsprozess not- wendig, ein Prozess, der allen Beteilig- ten Mut und Zuversicht abverlangt. Und selbstverständlich gibt es „Gefahren“, wenn wir die jungen Erwachsenen in die Eigenständigkeit entlassen. In diesem Spannungsfeld arbeiten wir mit den Betroffenen und den Eltern: die Risiken abwägen, Autonomie ermögli- chen und Netzwerke zur Unterstützung aufbauen. ● Wohnen auf eigene Gefahr IfS-Fundament – gewisse Gefahren sind es wert Mag. Elisabeth Tschann Leiterin IfS-Assistenz tschann.elisabeth@ifs.at

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