ifs Zeitschrift 2014/2

wie 4 Frei räume Dr. Franz Josef Köb über seinen Weg, Arbeit und Leben in Einklang zu bringen und damit ungeahnte Freiräume zu schaffen und Moderationen so gründlich vorzubereiten, wie es mein innerer Maßstab von Qualität und Serio- sität verlangt. Dann kann ich gelassen und ohne Nervosität meine Aufgabe machen. Und nachher, das ist ganz wichtig, habe ich ausreichend Zeit, das Gehörte und Gesagte nachwirken zu lassen, es geistig zu verdauen, weiterführende neue Gedanken zu notieren – und erst dann das nächste Thema anzugehen. Freiraum Fallbach. Der Fallbach ist ein Ort meiner Kindheit. ImWald, in dem wir oft gespielt haben, stürzt der Bergbach über eine kirchturmhohe Felswand. Alles an die- sem Platz klingt, riecht und schaut noch genau so aus wie damals. Es ist ein einsamer Ort, an dem kaum jemand vorbei kommt. An schönen Som- mertagen gehe ich dorthin mit einemmir wich- tigen Buch und verbringe im kühlen Schatten des Waldes viele Stunden mit lesen, nachdenken, träu- men, den weißen Wolken nachschauen, demWas- ser zuhören und zuschauen. Dort kann ich auch gut und leicht meinen Tränen freien Lauf lassen. Jedes Mal, wenn ich vom Fallbach zurückkomme, ist meine Seele erfrischt, heiter und zuversichtlich. Freiraum Kartoffelacker. In den letzten Jahren habe ich begonnen, den Acker zu pflegen, den mein Vater jahrzehntelang bebaut hat. Ich pflanze dort vor allem Kartoffeln, auch Zucchini und Zwiebeln. Finanziell und von der Effizienz her betrachtet ist das natürlich völlig sinnlos. Es rentiert sich in keiner Weise. Doch ich habe eine Ahnung, ja eine Ehrfurcht bekommen von und vor dem Geheimnis des Wachsens, des Reifens, des Beschenktwerdens, der Güte. Mei- stens arbeite ich barfuß und mit bloßen Händen. Wie wohltuend, wenn die Erde am Abend warm ist, wenn sie durch meine Finger rinnt. Ich bin am lieb- sten am späten Nachmittag im Acker und arbeite bis zur Dämmerung. Dann setze ich mich auf die Schwelle der kleinen Gartenhütte, beobachte die ersten Fledermäuse, das Abendrot, die ersten „Wie geht es in der Pension?“ Diese Frage habe ich in den letzten Jahren oft gehört. Ich durfte dann immer klar stellen: „Zum Glück bin ich noch nicht in Pension, ich arbeite noch, nur nicht mehr für den ORF.“ Der Abschied vom ORF hat es mir ermöglicht, mich selbständig zu machen als freier Erwachsenenbildner und damit endlich die Lebensform zu finden, nach der sich alle sehnen. „Work-Life- Balance“ sagt man heute auf Neudeutsch und meint, dass Arbeit und Leben in ausgegli- chener Balance sind. Ich gehe noch weiter: Arbeit und Leben sollen und dürfen gar keinen Gegensatz mehr darstellen, sondern sind gleichwertig und gleich erfüllend und sinnvoll. Wenn es so ist, dann öffnen sich plötzlich ungeahnte Freiräume. Von einigen möchte ich hier kurz berichten. Freiraum in der Arbeit. Gehetzt, getrieben, gejagt, fremdbestimmt, in einem viel zu engen Zeitkorsett – so erleben heute viele ihren Arbeitsalltag. Weil man zu viel tun muss, können die meisten nicht in ihrem eigenen Tempo und Rhythmus arbeiten. Die Folgen sind bekannt: Dauerstress, Erschöpfung, Burnout, Angst und andere psychische und psychosoma- tische Erkrankungen. Das Leben verarmt. In den letzten Jahren beim ORF ging es mir auch so. Mein Alltag bestand fast nur noch aus Arbeiten und Schlafen, um wieder fit zu sein. Keine Lust und keine Zeit für Besuche, private Kontakte, „Freizeit- Vergnügen“ und Ähnliches. Jetzt, seit ich frei bin, kann ich das Volumen mei- ner Arbeit selbst bestimmen, ich kann auswählen, kann nein sagen. Ich nehme mir die Freiheit, nur das anzunehmen, was ich gern, mit Freude und ganzem Herzen mache. Und das ist viel weniger als früher. Das gibt mir die Möglichkeit, mich in meinem Tempo und meinem Rhythmus (ich bin ein langsamer Mensch) auf Gespräche, Vorträge „Ich nehme mir die Freiheit, nur das anzunehmen, was ich gern, mit Freude und ganzem Herzen mache.“

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