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wie 22 Gefahr der „Ansteckung“ und dem „Überspringen“ des Traumas auf den Helfer, das ihn in Ohnmacht und Hilflosigkeit versetzt. Was nicht sein kann, darf dann nicht wahr sein. Kündigung des Mitgefühls. Neid und Vorurteil. Wenn wir das Ohr an den Stammtisch legen oder hören, wie die Leute halt so reden, ist zu verneh- men, dass „die“ zu viele sind, lügen, stehlen, reich und gut gekleidet sind oder dass sie gar keine richtigen Pässe haben, sie gar nicht verfolgt sind und nur in das Sozialsystem einwandern wollen. Gleichzeitig sieht man das Ausmaß an Zerstö- rung in Syrien. Trotzdem wird so geredet. Wenn das Ressentiment zur Mehrheitsmeinung wird, dann wird das Mitgefühl für das Leid der anderen unterlaufen. Die Not löst bei uns unbewusste Schuldgefühle aus, weil wir uns schlagartig der eigenen Pri- vilegiertheit bewusst werden. Und wir werden transgenerational erinnert an die eigenen Ent- behrungen im Zweiten Weltkrieg sowie an die Mitschuld unserer Eltern und Großeltern. 4 Aber zugleich löst sie auch Neid aus, weil die Menschen alles riskiert haben und riskieren mussten, mutig waren, ihr Leben aufs Spiel setzten und übers Meer und zu Fuß in das sichere Europa gelangt sind. Da sie jetzt grundversorgt werden, werden sie zu unseren Konkurrenten, nämlich derer, denen es selbst nicht so gut geht oder die Angst haben, dass es ihnen in Zukunft schlechter gehen könnte. Neid entwickelt sich besonders in dem Teil der Bevölkerung, der das Gefühl hat, selbst zu kurz gekommen zu sein. Es sind ohnedies die Moderni- sierungsverlierer: Sie finden keine oder nur eine schlechte Arbeit oder Wohnung oder sind auf Sozi- alleistungen angewiesen. Sie glauben, das Wenige mit den Neuankömmlingen teilen zu müssen. Psychologisch ist der Neid ein Futterneid. Der Neid hat seine Wurzeln ursprünglich im ewigen und unstillbaren Hunger, der in der Entwick- lungspsychologie bzw. in der psychoanalytischen Triebpsychologie erklärt werden kann. Es besteht ein nie zu stillender Hunger nach Gütern, der aber uner- füllt bleibt und die Sehnsucht nach dem Besseren nährt, das stets beim anderen vermutet wird. Der Neid trifft den, der einfach kommt und versorgt wird. Er kann scheinbar hemmungslos das genießen, was dem anderen vorent- halten wird. Darüber hinaus ist der Neid das Erbe der Geschwisterkonkurrenz und hat einen festen Platz in der menschlichen Psyche. Wenn die größeren Geschwister die Mutter mit einem hungrigen „Balg“ teilen müssen, welches im Zentrum der Aufmerk- samkeit steht, ist die Folge ein konfliktreiches Familiendrama von Neid und Eifersucht der älteren auf das jüngere Geschwister. Die Einheimischen sehen die neuen Mitbürger vereinfacht gesagt als jüngere Geschwister, die sie „repräsentieren“ und mit denen sie in einen Wett- streit um das Futter treten. Die unerwünschten Geschwister wandern in die Sozial- und Gesund- heitssysteme der europäischen Länder ein und werden im Gegensatz zu den Älteren, „den Ein- heimischen, die schon lange da sind“, von „Vater Staat“ und „Mutterland“ bevorzugt behandelt. Die „Neuen“, die so viele sind, erregen Unmut an den Futtertrögen. Die Befürchtung, dass der Flüchtling, der alles verloren hat, mehr erhält als der Einheimische, ist ein verbreitetes Vorurteil. Diesem Neidkom- plex, der jeder Grundlage entbehrt, ist mit den Mitteln der politischen Vernunft nicht wirklich beizukommen. Die Rechtspopulisten nützen den Neidkomplex für ihre politischen Ziele. In deren Sprache bedie- nen die Flüchtlinge sich hemmungslos, holen ihre Familien nach und leben auf Kosten der Einheimischen. Dann findet eine Umkehr statt. Das Mitleid gilt den armen Einheimischen, die verstärkt Opfer seien, weil sie zugunsten der unverschämten Gier der Flüchtlinge verzichten müssten. Die Opfer von „Neid entwickelt sich beson- ders in dem Teil der Bevöl- kerung, der das Gefühl hat, selbst zu kurz gekommen zu sein. Es sind ohnedies die Modernisierungsverlierer: Sie finden keine oder nur eine schlechte Arbeit oder Wohnung oder sind auf Sozialleistungen angewie- sen. Sie glauben, das Wenige mit den Neuankömmlingen teilen zu müssen.“ Wissen Was erhalten Asylwerber? Pro Monat erhält ein Asylwerber, eine Asylwerberin in einem bereit- gestellten Quartier: - Lebensunterhalt (Verpflegung, Hygiene): 200 Euro pro Erwach- senem / 90 Euro pro Kind - Taschengeld (zur freien Verfü- gung): 40 Euro - Gesamtsumme pro Monat: 240 Euro pro Erwachsenem - Pro Jahr erhalten die Asylwer- ber noch einmalig 150 Euro (in Gutscheinform) für Bekleidung ausbezahlt.

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