ifs Zeitschrift 2014/2

33 Herbst 2014 nen Kinder eine Trennung nicht vorstellen kön- nen, sind unsere Klientinnen zusätzlichem Druck ausgesetzt – vor allem dann, wenn sie eine Anzeige gemacht haben und eine Strafverhandlung gegen den Vater ihrer Kinder ansteht. Viele Frauen scheuen sich deshalb, gerichtlich gegen den Ehe- mann vorzugehen. Ein angekündigter Beziehungs- abbruch der Kinder wird als bedrohlich erlebt und ist mit der Angst vor Isolation und Einsamkeit verbunden. Existenzängste Ökonomische Abhängigkeit ist stark mit der Angst verbunden, nach einer Trennung/Scheidung in die Armut abzurutschen. Viele Frauen sind auf die Zahlung von Ehegattinnen-Unterhalt durch ihre Ehemänner angewiesen, um sich ihre Existenz zu sichern. Fol- gende Themen erschweren die Trennung vom gewalttätigen Ehemann: Fehlende Erwerbstätigkeit während der Ehe, was keine oder nur geringe Pensionsversiche- rungszeiten und somit einen geringen Pensionsan- spruch mit sich bringt. Vermögen, das während der Ehe gemeinsam erwirtschaftet wurde, ist bereits an die erwachse- nen Kinder weitergegeben worden. Hinzu kommt, dass ältere Frauen wenig über ihre Rechte Bescheid wissen. Eine gemeinsame Vorbereitung der verschiedenen Behördenwege sowie der Zugang zu (rechtlichen) Informationen und schlussendlich bei Bedarf die Begleitung zu Terminen sind wesentlich in der Arbeit mit älteren Klientinnen. Sehr häufig sieht diese Altersgruppe Ämter und Behörden als hohe Autorität und die Hemmschwelle vor einem Behördengang ist dadurch groß. Zudem ist das Recht, finanzielle Hilfen in Anspruch zu nehmen, bei älteren Klien- tinnen häufig mit Scham behaftet. Auch ältere Frauen sind von sämtlichen Gewalt- formen betroffen. Bewusstseinsbildung ist in der Beratung oft entscheidend. Es geht darum, dass unter Gewalt nicht nur körperliche Misshand- lungen zu verstehen sind, sondern dass Gewalt- ausübung auch in Verhaltensweisen besteht, die darauf abzielen, die betroffene Frau zu unterdrü- cken, zu beherrschen und zu kontrollieren. Vorwürfe erschweren eine Trennung Viele Frauen fühlen sich schuldig, wenn sie eine Trennung/Scheidung/Strafanzeige vorantreiben. Sie sind sehr empfänglich für Vorwürfe, mit denen sie in dieser Lebensphase durch den Gewalttäter und auch von den Kindern konfrontiert werden. Vorhaltungen wie zum Beispiel: „Was sollen die Leute von uns denken? Wie kannst du nur so egoistisch sein? Du wurdest einer Gehirnwäsche unterzogen, all das kommt gar nicht von dir!“ führen oft zu Selbstzweifel oder die Betroffenen fallen wieder in ihre gewohnten Verhaltensmuster zurück – mitunter wird sogar eine Rückkehr zum Täter in Betracht gezogen. Oft scheint die Rück- kehr einfacher, als den neu beschrittenen Weg mit all seinen Konsequenzen weiter zu gehen. Scham als Hemmschwelle Auch Scham beeinflusst in unterschiedlicher Weise die Arbeit mit älteren Klientinnen. Scham hat Einfluss auf die Offenheit von Frauen: die Scham, so lange nichts gegen die erlebte Gewalt unternommen zu haben, sich nicht zur Wehr gesetzt zu haben, so lange an der Beziehung fest- gehalten zu haben, so lange Opfer gewesen zu sein und die erlebten Demütigungen ausgehalten zu haben, das Gefühl, nichts wert zu sein. All das macht es Frauen oft so schwer, über das Erlebte zu spre- chen. Selbstzweifel und die Frage: „Was denkt mein Gegenüber jetzt von mir?“ verhindern oft, das eine längerfristige nachhaltige Unterstützung bzw. Beratung in Anspruch genommen wird. Daher ist vor allem in der Arbeit mit älteren Frauen ein sensibler Umgang mit dem Thema Gewalt von zentraler Bedeutung. Neben der Tatsache, dass Gewalt in der Familie besonders bei dieser Altersgruppe zur Privatsache erklärt wird, dauert es länger, bis für ältere Gewaltopfer (nicht zuletzt aufgrund der lan- gen Ehe) eine Trennung vorstellbar ist und sie sich somit aus der Gewaltbeziehung lösen. ○ Cäcilia König, MA Melanie Masnetz, DSA ifs FrauennotWohnung „Was sollen die Leute von uns denken? Wie kannst du nur so egoistisch sein? Du wur- dest einer Gehirnwäsche unterzogen, all das kommt gar nicht von dir!“ Wissen ifs Frauennot- Wohnung bietet Frauen und deren Kindern, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, Schutz und Zuflucht. Die Berater- innen sind telefonisch unter 05-1755-577 rund um die Uhr erreichbar.

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