ifs_zeitschrift_3-11

www.ifs.at Seite 30 In Vorarlberg werden rund 2.100 Men- schen in Alten- und Pflegeheimen be- treut. Lediglich drei davon sind türkisch- stämmig, und dies obwohl der Anteil an Personen mit ausländischer Herkunft an der Gesamtbevölkerung Vorarlbergs bei 19,9% liegt. Im Rahmen der 8. Rhein- taler Alterstagung setzten sich Exper- tInnen aus Theorie und Praxis mit dem Themenbereich „Migration und Alter – Gemeinsam Zukunft gestalten“ aus- einander. Der Grundtenor lautete, dass kultursensible Altenarbeit zukünftig immer mehr an Bedeutung gewinnen wird. In den 1960er Jahren kamen zahlreiche GastarbeiterInnen aus Exjugoslawien und der Türkei nach Österreich, um hier für einige Jahre zu arbeiten und dann in ihre Heimat zurückzukehren. Doch mit den Jahren folgten die daheimge- bliebenen Familien nach Österreich. Die Kinder wuchsen hier auf, besuchten ös- terreichische Schulen und so nahmen die Lebensläufe der MigrantInnen eine andereWende als erwartet. Einige der damaligen GastarbeiterInnen sind in ihre Heimat zurückgekehrt, aber viele blieben hier. Zum Stichtag 1. Jänner 2011 lebten insgesamt 1.315.512 nicht in Österreich geborene Personen in unse- rem Land. Davon sind ca. 13% über 60 Jahre alt. In Vorarlberg leben 73.560 Per- sonen ausländischer Herkunft. Diemeis- ten stammen aus der Türkei, Deutsch- land und Serbien/Montenegro/Kosovo. Die Rheintaler Alterstagung richtete sich an Menschen aus Österreich, Liechten- stein und der Schweiz, die sich mit dem Thema Alter und Migration auseinan- dersetzen und die Mitmenschen mit Mi- grationshintergrund im Alter begleiten. Ein bedeutendes Konzept ist dabei die „Diversity Care“, also die Respektierung sowie die Pflege der Unterschiede. Dies ist der Kern der Lebensqualität im Alter, nicht nur von Menschen mit Migrati- onshintergrund, sondern von uns allen. Wichtig ist es, Menschen gemäß ihrer persönlichen Bedürfnisse zu begleiten und zu pflegen, um so den kulturspezi- fischen Blick durch eine bedürfnisorien- tierte Herangehensweise zu ersetzen. Kulturell und religiös geprägte Bilder vom Altwerden Die Gründe, weshalb kaum Migran- tInnen in Pflegeheimen wohnen, sind unterschiedlich: „Es fehlt an mutter- sprachlichem Personal, an räumlichen Gegebenheiten zur Religionsausü- bung“, berichtete Mag. Dr. Margit Schä- fer, Projektkoordinatorin „Kultursensible Altenarbeit in Vorarlberg“. „Einer der Hauptgründe ist jener, dass MigrantIn- nen ein anderes Bild vom Altwerden haben.“ Dem schließt sich Mag. Zeynep Elibol, Direktorin der Berufsorientierten Islamischen Fachschule für Soziale Bil- dungWien, an:„Hatte doch die erste Ge- neration die Vorstellung auch im hohen Alter mit der Familie zu leben und von den Kindern betreut zu werden, schaut die Realität heute anders aus. Die älte- ren MigrantInnen möchten ihren Kin- dern nicht zur Last fallen. Die Kinder jedoch haben ein schlechtes Gewissen, ihre Eltern in Betreuungseinrichtungen zu schicken, da sie mit einem gewissen Ehrenkodex aufgewachsen sind, der von Religion und Kultur geprägt ist.“ Kultursensible Betreuung setzt Respekt, Verständnis und Vertrauen voraus Doch auch für den Personenkreis der MigrantInnen wird eine professionelle Betreuung in Altenheimen zukünftig teils unausweichlich sein. Es stellt sich deshalb die Frage, welche Bedingungen stationäre und auch ambulante Pflege- einrichtungen erfüllen müssten, damit MigrantInnen sich wohl fühlen und in Würde älter werden können. Eine große Rolle spielen Faktoren wie die Sprache, das Wissen über Speisen, religiöse oder traditionelle Praktiken. Viele MigrantIn- nen haben Angst, einsam zu altern und zu sterben, fern von ihrer Familie zu sein und keine Privatsphäre zu haben. „Eine gelungene kultursensible Betreuung setzt interkulturelle Kompetenzen und einen Dialog aller Beteiligten in gleicher Augenhöhe mit Respekt, Verständnis und Vertrauen voraus“, so Elibol ab- schließend. ● Kultursensible Altenarbeit gewinnt an Bedeutung Erfolgreiche 8. Rheintaler Alterstagung unter dem Titel „Migration und Alter“ M.C.D. Ulrike Amann PRO-Team ulrike.amann@ifs.at

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