ifs_zeitschrift_3-11

www.ifs.at Seite 4 Herr Müller, Sie leiten den neuen IfS-Fachbereich Flexible Intensivpäda- gogische Betreuung. Können Sie kurz beschreiben, wie Ihre Tätigkeit aussieht? Das Angebot der ambulanten Betreu- ung von Familien in der IfS-Flexiblen Intensivpädagogischen Betreuung besteht seit ca. einem halben Jahr. Wir sind dabei, diesen neuen Fach- bereich aufzubauen.Wir haben vor einem halben Jahr von der Vorarlberger Landesregierung den Auftrag erhalten, in der Sozialpädagogik dieses zusätzli- che Angebot für Jugendliche im Alter zwischen 14 und 16 Jahre zu etablieren. Und jetzt sind wir bei der Umsetzung. Um auf „Grenzen“, das Thema dieser Zeitung, sprechen zu kommen: Die Ab- grenzung von den Eltern ist ein natürli- cher Prozess.Wozu braucht es das? Ich würde diesen Prozess nicht nur mit der Abgrenzung von den Eltern beschreiben, sondern noch einen an- deren Aspekt mit hineinbringen:Wenn man den Blickwinkel des Jugendlichen berücksichtigt, bedeutet es, dass dieser Prozess auf der einen Seite ein Aus- probieren der Selbstwirksamkeit ist: In welchen Bereichen kann ich zeigen, dass ich schon etwas gestalten kann, dass ich schon etwas mit bewirken kann? Auf der anderen Seite, denke ich, braucht es dieses Versuchsfeld für jeden Menschen, damit er bzw. sie sich entwickeln kann, dass er/sie im Alter von 18 Jahren, wenn das Gesetz den jungen Erwachsenen die Volljährigkeit zuspricht, diese Volljährigkeit auch erfüllen kann. Es geht also darum, seine eigene Identi- tät zu finden und sich doch bis zu einem gewissen Punkt von den Eltern abzu- grenzen? Ich finde, das ist ein Teil dieses Entwick- lungsprozesses, dass sich junge Erwach- sene von ihren Eltern loslösen und ihren eigenen Bereich ausfüllen können. Der Begriff „Identität“, den Sie erwähnt haben, ist meiner Meinung nach etwas sehr Wichtiges. Die Jugendlichen müssen die Erfahrung machen, wo sie erfolgreich sein können, wo sie etwas mitgestalten können, wo sie mit ihrer Person etwas bewirken können. Ich stelle mir vor, dass das Ganze nicht ohne Reibereien zwischen Eltern und Jugendlichen vonstattengeht.Wie entstehen diese Konflikte? Entstehen sie daraus, dass sich Eltern mit der Abgren- zung schwer tun? Wir haben vorhin über das Experimen- tierfeld gesprochen. Ich denke, in dem Alter gehört es dazu, zu experimentie- ren und auch den Umgang mit Grenzen zu erlernen. Beim Umgang mit oder vielleicht sogar beim Übertreten von Grenzen werden diese erfahrbar, man bemerkt, ob sie für einen passend sind oder nicht, ob man gut mit ihnen um- gehen kann. So lernt man, sie für sein eigenes Umfeld akzeptieren zu können. Grenzen, an die sich Jugendliche halten können, muss es geben – aber die jungen Menschen sollten sich ja auch innerhalb dieser Grenzen frei entfalten können. Es gibt viele Grenzen – auch für Erwachsene.Wir Erwachsenen haben gelernt, uns daran halten zu können. Die Jugendlichen müssen das erst aus- probieren. Ich denke, dieses Ausprobie- ren der Jugendlichen ermöglicht auch uns Erwachsenen, Grenzen, die wir als gegeben hinnehmen, zu reflektieren, es wird zu einem Lerneffekt für alle. Bedeutet dies, dass praktisch jede Familie für sich einen Rahmen finden muss? Und was hilft beim Aushandeln zwischen Eltern und Kindern? Etwas ganzWichtiges ist, dass es diesen Raum der Kommunikation, in dem Grenzen ausgehandelt werden, über- haupt gibt. Dass zuhause die Kultur vorherrscht, dass man sich gemeinsam an einen Tisch setzt, gemeinsam über Alltägliches spricht, aber auch darüber, Freiheit ergibt sich aus Grenzen, die wir akzeptieren Andreas Bertolini im Gespräch mit Mag. Udo Müller, Leiter des neuen Fachbereichs IfS-Flexible Intensivpädagogische Betreuung „ Beim Umgang mit oder beim Übertreten von Grenzen werden diese erfahrbar. “

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